Beiträge

Bibel in der Hand

Tränengas, Gummigeschosse, Blendgranaten. Die Polizei zieht beinahe alle Register. Die überwiegend friedlichen Demonstranten haben keine Chance….

Das ist keine Szene aus Nord-Korea, China oder Russland. Es ist eine aus den USA. Donald Trump hat so die Straßen freiräumen lassen für einen Pressetermin. Dabei stand er dann vor einer Kirche, im Hintergrund eine Tafel mit der Einladung zum online-Gottesdienst und hat eine Bibel in der Hand gehalten. Demonstrativ zeigte er sie in die Kameras der Journalisten.

Am 25. Mai war George Floyd, ein 46-Jähriger Afroamerikaner, bei einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Seitdem gibt es in den USA vielerorts Unruhen, Ausschreitungen, aber eben auch meist friedliche Proteste gegen Rassismus. Trump reagiert darauf bisher mit großer Härte.

Und posiert eben auch ganz öffentlichkeitswirksam mit einer Bibel in der Hand. Ich überlege, was er damit ausdrücken will. Vielleicht so etwas wie Martin Luther. Frei nach dem Reformator: Hier stehe ich, und ich könnte zwar anders, aber ich will es nicht. Warum auch? Schließlich habe ich die Bibel auf meiner Seite.

Also, entweder kennt Trump die Bibel nicht oder er hat sie nicht verstanden oder er hat bloß die Geschichten gelesen, in denen es um Gewalt geht. Zugegeben: Davon gibt es jede Menge in der Bibel. Erzählungen und Beschreibungen von Kriegen mit all dem Blutvergiessen, das dazugehört. Vielleicht denkt der Präsident, wenn man es genau so macht, dann handelt man nach Gottes Willen.

Allerdings: Um zu erkennen, dass er damit auf dem Holzweg ist, müsste er gar nicht viel in der Bibel lesen. Er müsste sie einfach ganz vorne aufschlagen und anfangen. Relativ schnell würde er dann zur Geschichte von Jakob und Esau kommen. Den beiden Zwillingen, zwischen denen ein tiefer Graben verläuft. Durch eine List hatte Jakob seinen Bruder um das Recht bzw. den Segen des Erstgeborenen betrogen. Nach langer Zeit der Funkstille und verhärteten Fronten zwischen beiden überbrückt Jakob aber schließlich den Graben, indem er auf seinen Bruder zugeht. Demütig und damit auch deeskalierend. So überwinden die beiden dann schließlich ihren Streit.

Frei nach Martin Luther müsste Trump mit der Bibel in der Hand also sagen: Hier stehe ich, ich kann es anders und ich tue es auch.