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Begegnungen

Eine jüdische Geschichte erzählt von einem Rabbi, der seine Schüler fragt: „Wann ist der Übergang von der Nacht zum Tag?“ Der erste Schüler antwortet: „Dann wenn ich ein Haus von einem Baum unterscheiden kann.“„Nein“ antwortet der Rabbi. „Dann, wenn ich einen Hund von einem Pferd unterscheiden kann“, versucht der zweite Schüler eine Antwort auf die gestellte Frage zu finden. Wieder verneint der Rabbi. Schließlich sagt er: „Wenn du das Gesicht eines Menschen siehst und darin das Gesicht deines Bruders oder deiner Schwester, dann ist die Nacht zu Ende, und der Tag ist angebrochen.“

Eine Begegnung, die nicht nur das Äußere sieht, sondern tiefer geht. Die im anderen wahrhaftig den Mitmenschen entdeckt – Das ist der schnellste Weg zwischen zwei Menschen. Er geht von Herz zu Herz. Wenn Menschen einander ihr Herz finden lassen, dann geben sie sich das Lebensnotwendigste, denn in den Herzen wohnt Gott, da ist der Himmel auf Erden. Und es sind himmlische Begegnungen, wenn wir unsere Herzen füreinander öffnen, uns begrüßen, besuchen, begleiten und trösten, aufmuntern und manchmal auch aufrütteln, uns stärken und ermutigen. Ich denke da zum Beispiel an eine Frau, die ich nach einer schweren Operation ein paar Mal im Krankenhaus besucht habe.  Erst war sie gar nicht ansprechbar gewesen. Aber irgendwann konnte ich mit ihr reden und wir konnten uns miteinander austauschen. Das Schönste an dieser Begegnung war das Vertrauen zwischen uns. Das hat es licht und hell gemacht. Es war eine Begegnung von Herz zu Herz.

Ähnlich war es bei Begegnungen, die ich mit einem Jugendlichen hatte. Aufgrund einer Behinderung konnte er nicht in Worte fassen, wie sehr er das Leben genießen wollte. Auch hier war es ab einem gewissen Zeitpunkt eine Begegnung von Herz zu Herz. Es herrschte großes Vertrauen zwischen uns. Und plötzlich war ich empfänglich für seine Sprache. Eine, die ohne Worte auskam. In seinem strahlenden Lächeln konnte ich erkennen, wie groß sein Hunger nach Leben war.

Der Prophet Jesaja schreibt im Alten Testament:  Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Das Licht des Vertrauens, das es hell sein oder werden lässt – das wünsche ich ihnen besonders für den heutigen Tag.