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Bartholomäus-Nacht

Es muss ein unbeschreibliches Morden gewesen sein. Augenzeugen haben später geschildert, wie die Getöteten in den Straßen lagen und Leichen den Fluss hinuntertrieben.

Die Nacht zum 24. August 1572 in Paris. Als Bartholomäus-Nacht hat sie sich in das kollektive Gedächtnis Frankreichs eingegraben. 450 Jahre ist es bald her. Religiös motiviert, politisch benutzt, erhoben sich Katholiken gegen Reformierte, genannt Hugenotten. Ungehemmt entlud sich der Volkszorn – fünftausend Menschen sollen in dieser Nacht gestorben sein. In den Jahren danach flohen viele Hugenotten aus Frankreich, einige auch in unsere Region. Zwölf von ihnen gründeten 1604 das Dorf Ludwigsweiler, heute als Ludweiler ein Ortsteil von Völklingen.

„Oh, Geschichte!“ mag man sagen. „Das ist lange her. Was betrifft das Gestern unser Heute?“ Klar, wissenschaftlich und technisch trennen uns von damals Welten. Aber menschlich?

Die Bartholomäusnacht – zeigt sie nicht, so wie unzählige andere dunkle Momente der Geschichte auch, wie schnell der Mensch das dünne Kleid der Zivilisation ablegen kann und zum Unmenschen wird? Zum Mörder seines Nächsten?

Gib jemandem das Gefühl, mit gutem Recht zu handeln, wenn er seine innere Wut gegen den Mitmenschen richtet, und bald ist kein Halten mehr. Zugegeben: falsch verstandener Glaube erleichtert diese Entmenschlichung und das Christentum hat dabei oft eine unrühmliche Rolle gespielt. Aber nicht der Glaube wird zum Mörder. Sondern es ist der Mensch, der sich und seine Überzeugung absolut setzt. Seinen Hass, und ja, vielleicht auch seine Angst. Das passiert zu allen Zeiten und leider immer wieder. Zwischen Paris im August 1572 und dem ukrainischen Dorf Butscha im März 2022 liegt menschlich kaum ein Wimpernschlag.

Darum gilt es, immer wieder die Gegengeschichte zu erzählen. Die Geschichte vom Menschen, der – wie die Bibel sagt – sich nicht vom Bösen überwinden lässt, sondern das Böse mit Gutem überwindet. Es ist die Geschichte von Menschen, die sich nichts einreden lassen und einander als Geschwister betrachten. An dieser Stelle der Menschheitsgeschichte bin ich froh über die Rolle des Christentums und der Kirchen bis heute.

So werden in den kommenden Wochen Evangelische und Katholiken aus Ludweiler und der Umgebung in zahlreichen Veranstaltungen an die Bartholomäusnacht erinnern, dankbar, dass Mordgedanken zwischen unseren Konfessionen wirklich überwunden sind.

 

Hier der Link zur SR-Mediathek: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=118361