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Barbara

Auf dem Kaminsims blüht seit Weihnachten der Zweig eines Kirschbaums. Am Barbaratag, dem 4. Dezember, habe ich ihn im Garten abgeschnitten und in einer Vase ins Warme gestellt.

Barbara, so die Legende, wurde im Jahr 306 als Märtyrerin des christlichen Glaubens hingerichtet. Auf dem Weg in ihr Verlies blieb sie an einem abgestorbenen Zweig hängen. Nach ihrer Hinrichtung begann der tote Zweig zu blühen. Das Leben ist stärker als der Tod, die Liebe stärker als der Hass.

Hingerichtet wurde Barbara, denke ich, aber nicht wegen ihres Glaubens, sondern weil sie eine Frau war. Eingesperrt wurde sie durch ihren Vater nämlich schon vor ihrer Bekehrung zum christlichen Glauben. Barbara sei wunderschön und klug gewesen, weiß die Legende. Schön, klug und reich – die Männer, alle von ihrem Vater ausgesucht, standen Schlange. Aus dem Besitz des Vaters in den Besitz irgendeines Mannes überzugehen, kam für sie aber nicht in Frage. Die Rache der Männer war furchtbar: Kerker, Verstümmelung, sexuelle Demütigung. Schließlich die Hinrichtung durch den Vater selbst. Die Hinrichtung Barbaras war ein Ehrenmord.

Und so ist Barbara für mich nicht nur die Schutzheilige der Bergleute und Artilleristen. Sie ist die Heilige von Mahsa Amini, der jungen Frau, die im Iran Opfer von Polizeigewalt wurde, weil sie ihr Kopftuch nicht regelgerecht getragen hat. Die Heilige jener Frauen, die durch Partner und Expartner ermordet werden. Auch in Deutschland bis zu 150 Frauen jährlich. Die Heilige aller Frauen, die Opfer von Gewalt werden, weil sie Frauen sind.

Auf dem Kaminsims blüht der Barbarazweig. Das Leben ist stärker als der Tod. Die Liebe stärker als der Hass.