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Auszeit

Auf der Teepackung vor mir im Supermarktregal steht „Kleine Auszeit“. Unter dem Schriftzug eine Frau, die mit geschlossen Augen eine dampfende Tasse in der Hand hält. „Ja,“, seufze ich innerlich, „eine kleine Auszeit wäre jetzt schön.“, und nur der Gedanke an meine ohnehin schon große Teesammlung hält mich davon ab zuzugreifen.

Diese käuflichen „Auszeiten“ finde ich auch bei den Badezusätzen und in der Zeitungsbeilage. Die Sehnsucht, aus der Betriebsamkeit des Alltags herauszutreten, scheint so groß zu sein, dass sie sich gut für Verkaufsstrategien eignet.

Bücher zum Thema „Achtsamkeit“, Pilgerreisen und Wellness-Angebote boomen.

Gab es nicht mal eine wöchentliche Auszeit vom Alltag? Samstagnachmittags baden, Sonntagmorgen Sonntagskleider anziehen, in den Gottesdienst gehen, dann Sonntagsbraten essen, nachmittags Kaffee und Kuchen. Also alles so ganz anders als im Alltag. Und wer weiß noch, dass wir am Sonntag die Auferstehung Christi feiern?

Inzwischen haben wir den Sonntag dem Alltag angeglichen, Rituale als altmodisch aufgegeben. Stattdessen: Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage, „Konsumtempel“ locken zum sonntäglichen „Familienshopping“. Die Straßen sind voller Autos, Lärm und Menschen. So, wie an jedem Tag.

Im Judentum gibt es den Sabbat. Ein Großteil der Sabbatgebote hat zum Ziel, sich einzuüben in die Kunst des Weglassens, einen heiligen, heilenden Raum in der Zeit zu schaffen, in dem Gott und Mensch sich begegnen.

Als Christin will ich den Sabbat nicht vereinnahmen. Aber ich kann von ihn lernen. Der innere Impuls, zum Beispiel mit mehr Achtsamkeit durchs Leben gehen zu wollen, verpufft, wenn es uns nicht gelingt, dafür eine äußere Form zu finden. Nutzen wir, was wir haben: den Sonntag.