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Außer sich sein und in sich gehen

Es ist kurz vor Weihnachten. Mein Mann und ich haben für die Feiertage gefühlt 27 Pläne, wie wir unsere Familien sehen – oder im Fall der Fälle eben auch nicht. Der Dezember ist bei uns sowieso immer total voll gepackt. Zwischen allen möglichen Treffen, Terminen und Arbeit haben wir mal wieder ganz vergessen Geschenke zu organisieren. Typisch wir. Eigentlich haben wir gut geplant, aber improvisieren müssen wir trotzdem. Das nervt mich. Besonders diesen Dezember.

Viele Geschenke werde ich gar nicht persönlich übergeben können, weil… naja Sie wissen schon.

Die Nerven liegen einfach blank. Und das in dem Monat des Jahres, der doch mehr als alle anderen für Besinnlichkeit steht. Es enttäuscht mich, wie stressig der Dezember ist. Es macht mich wütend, aber es macht mich auch traurig. Jedes Jahr wieder ist es kurz vor Weihnachten ein Auf und Ab der Gefühle.

Vor Kurzem bin ich auf folgenden Spruch gestoßen:

„Du kannst auch wieder in dich gehen, wenn du außer dir bist.“

Seitdem muss ich immer Schmunzeln, wenn ich merke, dass ich mal wieder richtig angespannt bin. „Du kannst auch wieder in dich gehen, wenn du außer dir bist.“

Das klingt so weise, wenn ich es mir vorsage. So vernünftig. Es klingt, als sagt mir das jemand, der weiß, dass ich auch anders sein kann. Nämlich ruhig und gelassen, ganz entspannt. Ich stell mir vor, dass Gott mir gegenübersitzt und das zu mir sagt. Er sitzt in so einem alten braunen Ohrensessel aus Leder. Ich stell mir vor, dass ich ihn anbrülle und mich über alles mögliche aufrege. Alles schreie ich ihm ins Gesicht. Frust, Wut, Enttäuschung. Gott hört einfach zu. Ich stell mir vor, dass ich in seinem Gesicht sehen kann, dass er versteht wovon ich spreche. Er kann nachfühlen wie es mir geht. Im Prinzip wie ein Vater oder eine Mutter. Gott weiß, was los ist. Auch ohne Worte. In einem Psalm ist das so beschrieben:

Gott, du kennst mich genau. Ob ich gehe oder stehe: Du weißt es. Alle meine Wege sind dir bekannt. Du, Gott, weißt schon, was ich sagen will, bevor ich die Worte mit der Zunge geformt habe. Ich hatte noch keine Gestalt, da haben deine Augen schon mein Wesen gesehen. Schau doch, ob ich auf einem falschen Weg bin! Und führe mich auf dem Weg, der Zukunft hat!

Ich finde das ganz tröstlich zu wissen, dass Gott mich kennt. Also so… ohne Maske und ohne politische Meinung. Er kennt mein Wesen, mein Innerstes. Eigentlich logisch: Er hat mich und uns alle nach seinem Abbild erschaffen. Da wir uns ziemlich stark voneinander unterscheiden, muss es wohl einen Teil in uns geben, in dem wir uns alle gleichen. Ich glaube daran, dass Gott nicht nur um uns, sondern auch in uns ist: zum Beispiel als Liebe, Glück und Geborgenheit. Das Gute, Wohltuende ist unser Wesen. Die Summe der guten Dinge in uns, das ist unser göttlicher Funke.

Doch Gott ist nicht immer spürbar. Im Moment überlagern oft negative Dinge das Gute. Zum Beispiel verdrängt vorweihnachtlicher Stress unsere Besinnlichkeit. Die Angst vor Einsamkeit an Weihnachten bedrückt uns. Wie soll Weihnachten werden, wenn wir nicht mal die Festtage so verbringen können wie sonst auch?

Enttäuschung, Angst, Frust und Unverständnis überlagern Liebe, Glück und Geborgenheit. Im Moment stehen wir für mein Verständnis irgendwie… neben uns. Oder sind sogar „außer uns“.

Ich stell mir vor, wie Gott sich zu uns stellt. Er hört uns zu, wenn wir unseren Ärger Luft machen. Er fühlt mit uns mit. Er legt seine Hand auf unsere Schulter – und sagt mit sanfter Stimme zu uns: „Du kannst auch wieder in dich gehen, wenn du außer dir bist.“