Beiträge

Aus der Rolle fallen

Cowboy, Indianer, Pirat, Vampir – beim Blättern durch den Werbeprospekt des Kaufhauses fallen mir die Angebote für Kostüme ins Auge. Kein Zweifel: Wir sind mitten drin in der närrischen Zeit.

Ich bin in diesen Tagen ja ehrlich gesagt immer ein bisschen zwiegespalten. Zum einen erinnert mich Fassnacht an meine Kindheit- Und zwar an ziemlich schöne Tage meiner Kindheit. Aber andererseits muss ich heute feststellen: Ich kann mit Fassnacht mittlerweile ehrlich gesagt nicht mehr ganz so viel anfangen. Also eigentlich gar nichts.

Aber obwohl das so ist, bringen mich diese Tage jedes Jahr wieder ins Nachdenken. Ob ich will oder nicht. Jedes Jahr aufs Neue denke ich: Im Grunde hat es ja was Befreiendes, seine „normale“ Rolle mal verlassen zu können. Diese Rolle, auf die ich oft festgelegt bin oder festgelegt werde. Weil Menschen denken, ich hätte so oder so zu sein. Weil ich ja einen bestimmten Beruf habe oder weil ich ein Typ bin, der eben so ist. Und ich merke: Es ist ganz manchmal schön schwer, da rauszukommen. Damit bin ich doch mehr als das, worauf die Leute mich festlegen wollen.

Und dann wünsche ich mir manchmal, ich könnte mehr mit Fassnacht anfangen. Hätte mehr Spaß am Verkleiden und an der närrischen Zeit. Denn dann könnte ich – zumindest an diesen Tagen – mal aus meiner Rolle fallen und in eine andere Rolle schlüpfen. Dann wäre ich nicht der seriöse Pfarrer, sondern vielleicht wieder der wilde Cowboy. Draufgängerisch und laut. Wie in meiner Kindheit. Oder ich wäre der durchgeknallte Clown. Und ich wüsste: Hey, ich darf das! Ich darf aus der Rolle fallen, es ist schließlich Fassnacht!

Ist es deshalb schlimm, dass ich mit der närrischen Zeit nicht viel anfangen kann? Nein, nicht unbedingt. Denn letztlich geht es ja nicht darum, sich nur an Fassnacht nicht auf eine Rolle festlegen zu lassen. Auch im restlichen Jahr geht es darum, zu zeigen: Ich bin mehr als das, was Menschen vielleicht von mir erwarten. Gott hat mich vielfältiger gemacht als die eine Rolle, die ich im Alltag meistens zu spielen habe.

Egal, ob Sie Fassnachtsfan oder –muffel sind  – ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen nicht nur in der närrischen Zeit, sondern das ganze Jahr über gelingt, auch mal aus der Rolle zu fallen.