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Auferstehung war gestern. Morgenfeier Ostermontag 2022

Musik:         „Christ ist erstanden (Osterlied)“. Dieter Falk, A Tribute to Martin Luther

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer! Ich begrüße Sie zu dieser Morgenfeier am Ostermontag. Das eben war Dieter Falk mit einer Bearbeitung des Osterliedes „Christ ist erstanden“ von seinem Album „A tribute to Martin Luther“. Dieter Falk ist bekannt geworden durch seine Jazz- und Pop-Arrangements klassischer Musik, komponierte Musicals zu religiösen Themen, produzierte und komponierte aber auch u.a. für Patricia Kaas, Pe Werner, Roger Chapman oder Nazareth. Noch weitere Titel von seinem Martin-Luther-Album werden wir in den kommenden 20 Minuten hören.

Ja, heute ist Ostermontag. Der zweite Osterfeiertag.

Ostern ist ja fast vollständig von Osterhasen mit Ostereiern zu geschiss… geschüttet worden. Und wer der allgegenwärtigen Osterdeko entrinnen möchte, der geht nicht in einen der zahlreichen Gottesdienste, sondern flüchtet in den Urlaub, an den Strand oder in den Schnee. Das wird in diesem Jahr nicht viel anders sein, denn die Corona-Beschränkungen sind gefallen. Vielleicht geht’s weniger weit weg als vor dem Ausbruch der Pandemie.

Heute ist Ostermontag. Der zweite Osterfeiertag.

Ostern: für Christen das wichtigste Fest. Viel wichtiger als Weihnachten. Nun, das ist vorbei. Das war einmal. Viele wissen das nicht mehr hierzulande, vielleicht noch einige Hardcore-Christen. Und natürlich wir geistliches Bodenpersonal, wir „Berufs-Christen“.

Aber auch für Menschen, die sich noch beteiligen am christlichen Gemeindeleben, ist an den zweiten Feiertagen, an Pfingstmontag, am 2. Weihnachtstag und eben auch am Ostermontag, wie soll ich sagen, irgendwie „die Luft raus“.

Eigentlich ist doch bis gestern schon alles gesagt worden. Ja, das Ganze begann ja eigentlich schon am Donnerstag, dem Gründonnerstag. Da sollen Christen dem letzten Weg Jesu nachgehen, in den Garten Gethsemane, nach Golgatha, zum leeren Grab. Ein kurviger Weg mit Höhen und Tiefen: ein gemeinsames Essen mit Tiefgang, das weit über den Abend hinausreichen wird, ein Verrat durch einen Kuss – besonders übel. Dann Verzweiflung, die den übereifrigsten Gefährten Jesu dazu treibt, ihn dreimal zu verleugnen. Karfreitag schließlich, Jesus stirbt, tiefste Nacht, die alle ratlos zurücklässt. Und dann der hellste aller Morgen: Christ ist erstanden. Alle Verzweiflung weggeblasen wie der Stein vor dem Grab, Klarheit und den Jubel am Ostermorgen: Der schöne Ostersonntag.

Das war dann gestern. Und heute? Was soll heute noch kommen?

Musik:         „An der Zeit“. Dieter Falk, A Tribute to Martin Luther

Der zweite Osterfeiertag, liebe Hörerinnen und Hörer. Eigentlich ist schon alles gesagt.

Für den zweiten Tag bleibt wohl nichts als Abglanz und Nachwehen übrig, und selbst dafür muss man manchmal neu Atem holen. Denn: Ostern und die Botschaft des leeren Grabes, die werden für viele zum Riesenproblem. Damals und heute erst recht.

Jesus Christus ist von den Toten auferstanden. Schön. Aber was soll das? Hat da einer die Naturgesetze überlistet? Oder alle grandios an der Nase herumgeführt? Sterben durch Kreuzigung ist qualvoll effektiv – und endet tödlich und nicht scheintödlich. Die Wundmale an Händen und Füßen, der Lanzenstich in die Seite sind eindeutig.

Überhaupt: Von den Toten auferstanden? Tot ist tot, und fertig! Jede Beerdigung erzählt von einem Abschied für immer.

Und wie heißt das im Glaubensbekenntnis? „Ich glaube… an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben!“

Wie? Nicht nur Jesus, sondern alle?

  • Also auch mein Opa, Maria Callas, Adolf Hitler,
  • das Mädchen, das mit 11 Jahren an einer heimtückischen Infektion hat sterben müssen,
  • der miese Kerl, bei dem wir als Kinder immer Kirschen klauten und der mich dafür immer ohrfeigte?
  • Am Ende auch ich?

Die Toten erstehen auf? Wohin?

  • Auf die grüne Wiese im Himmel, auf der wir lustwandeln, auf einer Picknick-Decke dösen und mit dem netten alten Herrn mit dem Rauschebart ab und an beschaulich plaudern – oder ordentlich zechen?

Ostern, Auferstehung, so ein Tinnef. Zwielichtige Berichte in einem verstaubten Buch. Die spinnen doch alle, Koran, Bibel – alles von gestern. Oder?

Musik:         „Multiplikation“. Dieter Falk, A Tribute to Martin Luther

Liebe Hörerinnen und Hörer, sicher: Ostern, diese Auferstehung von den Toten, so ein Tinnef, sicher, so mögen viele denken. Aber nicht alle.

Kluge Menschen haben darüber nachgedacht, was den Menschen zum Menschen macht, einzigartig unter allen Lebewesen. Sie haben festgestellt: Menschen wissen, dass sie sterben müssen. Kennen aber auch den Glauben und die Hoffnung auf etwas, was über die Natur hinausgeht. Und so ergab eine repräsentative Umfrage: auch im Jahr 2022 glauben viele Menschen in Deutschland, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) ist zwar überzeugt, dass ein verstorbener Mensch nur in den Erinnerungen anderer weiterlebt. Jeder Fünfte erklärt jedoch, wenn der Körper stirbt, entweicht die Seele und lebt in einer Art himmlischem Zustand weiter.

Die Vorstellungen über das Danach lassen sich breit auffächern: Im religiös globalisierten Kosmos gibt es außer dem auferstandenen Jesus ein breites Angebot: Seelenwanderung, Wiedergeburt, Jungfrauen im Paradies, kosmische Energiekreisläufe, das Nirwana. Die meisten Menschen, auch solche, die sich selbst als Christen verstehen, bedienen sich aus diesem Angebot und zimmern sich ihre persönlichen Vorstellungen zurecht. Der Glaube an eine Wiedergeburt, Seelenwanderung steht dann schon mal neben der Verehrung des Wanderrabbi Jesus. Auferstehung pur – das war gestern. Weit verbreitet ist die unbiblische Vorstellung, auf grünen Wiesen dereinst einmal meine Lieben wieder in die Arme schließen zu können. Eine verlockende Vorstellung für Menschen, die ihr Liebstes verloren haben – und daran zu verzweifeln drohen.

Der Apostel Paulus hat übrigens in seinen in der Bibel überlieferten Briefen nur widerwillig und in paradoxen Sprachbildern drängende Fragen beantwortet, was denn nun sei mit den Verstorbenen am jüngsten Tag. Nun, seine ausweichenden Antworten haben schon damals wenig genutzt: Menschen machen sich nun mal ihre Vorstellungen, finden Bilder für ihre Hoffnung.

Ich denke: je mehr Bilder, desto besser. Denn wo eine mit Glaubenszwang festgeklopfte Vorstellung hinführt, das wissen wir spätestens seit den islamistischen Terroranschlägen. Jungmänner mit irrem Blick und gebrochenem Verhältnis zu Frauen träumen von 99 Jungfrauen im Paradies, ihnen in allen Belangen zu Diensten – und das, nachdem sie ihren Körper per Sprenggürtel in Einzelteile zerlegt und sich damit dorthin gebeamt haben.

Aber diese vulgär-islamische Paradiesvorstellung ist genauso naiv wie die christliche Schlaraffenland-Idee, wo alle meine Liebsten sich zum ewigen Picknick an himmlischen Bachläufen treffen. Tut mir leid – aber meinen Verstand will ich – und wollen viele andere – auch beim Thema Auferstehung und Leben nach dem Tod nicht abschalten müssen.

Übrigens: Unser „Münchner im Himmel“ hat einer anderen weit verbreiteten Idee, eine klare Abfuhr erteilt, diesem ewigen Frohlocken-Hosianna-Singen auf Wolke 3:

Einspieler:     „Ein Münchner im Himmel“ von Ludwig Thoma, performed von Adolf Gondrell

Doch ernsthaft. Karl Rahner, der große katholische Theologe, nennt solch naive Vorstellungen eine Verharmlosung. Das ewige Leben sei gerade nicht Freude, Friede, Picknick, Jubel und all dieser Eierkuchen, nein – radikal unbegreiflich sei das ewige Leben, sagt er, der Theologe – und nicht etwa ein Atheist.

Karl Rahner spricht von einer „ungeheuerlich schweigenden Leere“, die dann sei. Gar nicht so weit weg von buddhistischen Nirwana-Vorstellungen, die ja mehr sind als einfach nur Vernichtung. Aber doch auch nur die Projektion eines kühlen Intellektuellen. Die leibliche Auferstehung – das ist für Karl Rahner eine Vorstellung von gestern. Zu monströs.

Ein weiteres Beispiel. Dorothee Sölle, die sprachgewaltige evangelische Theologin. Sie spinnt am Ende ihres Lebens den Gedanken, sich in den Kreislauf der Natur zurückzugeben und in Baum und Blume weiter als ein Teil des Ganzen zu existieren.

Tja, Liebe Hörerinnen und Hörer, ich kann es drehen und wenden wie ich will: Es gibt keine eindeutige Antwort. Es gibt auch niemanden, den ich fragen kann, was Fakt war damals am Tag der Auferstehung dieses Jesus. Das war gestern, mir bleibt nur, was darüber erzählt wird. Interpretationen, Deutungen, Vermutungen. Mal sind die klug, mal naiv, mal sind sie abwegig, mal einleuchtend.

Ich vertraue einfach darauf, dass der, der mich erschaffen hat, auch nach dem Tod noch irgendetwas mit mir vorhat.

„Kommt wieder zu mir, Menschenkinder“, zitiere ich bei jeder Beerdigung. Und versuche die Trauernden und auch mich mit diesem Spachbild zu trösten. Denn eins ist mir klar: wir haben nur Bilder, letztlich unbefriedigende und stümperhafte Vorstellungen von dem „Danach“.

Solange sie trösten und helfen: gut. Wenn sie Angst machen oder verstören: nicht gut.

Doch eins ist Fakt: es hilft sehr, darauf zu vertrauen, dass mit dem Tod nicht alles aus. Hilft im Leben, im Hier und jetzt. Religiös geprägte Menschen, die sich Gedanken machen über das, was nach dem Tod ist, leben besser – bewältigen Krisen gelassener, gehen mit Krankheit und Tod kraftvoller, gelassener, stimmiger um. Wenn es sie selbst trifft. Oder bei anderen.

Wie die Auferstehung morgen wirklich aussieht – das überlasse ich dem, der uns Menschen ins Leben gebracht hat. Dem großen Schöpfer.

Bis dahin bewundere ich weiter die unerschöpfliche Vorstellungskraft der Menschen, die immer neue Bilder für dieses Unbegreifliche finden.

Einen schönen Ostermontag!

Musik:         „Nun freut euch“. Dieter Falk, A Tribute to Martin Luther