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Auch die Sonne hat Flecken

„Hmm, dies und das müssen wir aber nochmal machen. Das gefällt mir irgendwie nicht.“

Vor vielen Jahren – ich war noch ein Berufsanfänger hat das mal ein Vorgesetzter zu mir gesagt. Am späten Nachmittag. Als ich kurz davor war, Feierabend zu machen. Einen Feierabend, den ich mir an diesem Tag redlich verdient hatte – ich glaube, das kann ich ohne Übertreibung sagen.

An diesem Tag bin ich nämlich extra früh im Büro gewesen. Ich wusste, bis zum Wochenende muss Vieles geplant und erledigt werden und da wollte ich nichts dem Zufall überlassen. Auch die Mittagspause hatte ich dem Ganzen geopfert sozusagen. Nur schnell am Schreibtisch ein paar Mal in mein belegtes Brötchen gebissen und ansonsten geackert und gerackert. Telefoniert, Emails geschrieben, Dinge recherchiert, Texte entworfen undsoweiter.

Und dann – kurz vor Feierabend – der eingangs zitierte Satz: „Hmm, dies und das müssen wir aber nochmal machen. Das gefällt mir irgendwie nicht.“ Vor allem das „irgendwie“ hat mich darin gestört. Das konnte ja alles und nichts bedeuten. Es war so undifferenziert. Hatte ich einen Fehler gemacht? Hatte ich etwas übersehen? Hatte ich mich nicht an irgendwelche Vorgaben gehalten? Klar, das hätte alles sein können. Aber dann müsste man es ja auch klar sagen, habe ich gedacht und bin an diesem Tag ziemlich wütend und auch niedergeschlagen nach Hause gefahren.

 

Solche oder ähnliche Tage hat es seitdem noch öfter gegeben. Mal mehr, mal weniger schlimm. Aber oft waren sie so, dass ich am Ende des Gefühl hatte: Ich kann mich anstrengen so viel ich will – es ist dennoch nie genug. Ich habe mich gefragt: Warum sind die anderen offenbar perfekt, ich aber nicht?

 

Irgendwann mit zunehmendem Alter und wachsender Erfahrung habe ich dann gemerkt: Die anderen sind auch nicht perfekt, die tun nur so. Manche tun das richtig gut. So gut, dass man tatsächlich auf dumme Gedanken kommen kann. Nämlich solche, die einen selbst als viel schlechter einschätzen. Die einen bei sich selbst nur die Fehler sehen lassen. Nur das, was nicht so gut klappt und bei den anderen nur das, was gelingt. Was glänzt und was perfekt erscheint.

 

Wie bei allen dummen Gedanken gilt auch hier: Man sollte schleunigst damit aufhören. Denn sonst treibt es einen nur in den Wahnsinn oder man bekommt ein Magengeschwür oder noch Schlimmeres. Richtig ist: Alle machen Fehler. Und niemand muss fehlerfrei sein.

Ja, ich bin unvollkommen. Ich bin unperfekt. Theologisch ausgedrückt: Ich bin ein Geschöpf und nicht der Schöpfer. Ja, Vieles kann ich nur schlecht oder auch gar nicht. Na und? Dafür kann ich anderes. Und was für mich gilt, das trifft auch auf meine Mitmenschen zu. Und es ist bestimmt kein Zufall, dass die Bibel davon erzählt, dass Gott sich für große Aufgaben immer solche Menschen ausgewählt hat, die alles andere als perfekt waren. Die vielleicht sogar besonders viele Schwachstellen hatten oder auf den ersten Blick völlig ungeeignet für große Aufgaben zu sein schienen: Mose, der das Volk Israel aus Ägypten geführt hat. David, der berühmte König oder auch Paulus, der bekannte Apostel. Sie alle waren Menschen mit vielen Schwächen und Fehlern. Sie alle hatten viele Flecken, wie man in Schweden sagen würde. Denn ein schwedisches Sprichwort heißt übersetzt: Auch die Sonne hat Flecken. Bedeutet: Jeder Mensch hat bzw. macht Fehler.

 

Seien Sie also zufrieden mit ihren Flecken und denken Sie immer daran: Auch die Sonne hat welche und ohne sie wäre das Leben unmöglich!