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Arrangiert

Ein Polizeikommissar aus St. Wendel und eine Sachbearbeiterin aus Völklingen haben vor kurzem geheiratet. „Schön für die beiden!“ werden Sie jetzt vielleicht denken, „aber was ist jetzt daran interessant – außer für die beiden natürlich?“

Nun, es war ungewöhnliche Hochzeit. Deshalb war es der Saarbrücker Zeitung auch eine Meldung wert. Die beiden haben sich nämlich vorher nie gesehen, nichts voneinander gewusst. Erst auf dem Standesamt, unmittelbar vor dem Ja-Wort, sind sie sich zum ersten Mal begegnet. Der Polizeikommissar und die Sachbearbeiterin. Und ihre Familien und Freundeskreise. Sie hätten zuschauen können – diese „Hochzeit auf den ersten Blick“ wurde ins Internet gestreamt und im Privatfernsehen gesendet.

Etwas ganz anderes habe ich vor einer Woche erlebt. Ich habe ein junges Paar getraut, an einem sonnigen Tag auf dem Annahof in Niederwürzbach. Die beiden sind schon lange zusammen, haben ein kleines Mädchen. Sind fest verwurzelt in ihren Familien, haben einen gemeinsamen Freundeskreis. Die waren alle dabei, die Familien und die Freundinnen und Freunde – und niemand sonst. Die beiden kennen sich gut, so gut, dass sie selbstverständlich und sicher sagen konnten: „Ja, bis der Tod uns scheidet.“

Nun, so ein Versprechen ist eine Prognose für die Zukunft. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Ich sage dann als Pfarrer immer: „Gott schenke euch zu eurem Wollen das Gelingen.“ Aber ich behaupte: das Paar vom Annahof hat eine bessere Prognose auf viele gute Jahre gemeinsamen Zusammenlebens, eine bessere Prognose als der Polizeikommissar und die Sachbearbeiterin in ihrer arrangierten Fernsehshow. Die Zahlen geben mir recht – die meisten Ehen, die in dieser Show seit 2014 geschlossen wurden, sind längst wieder geschieden.

Jetzt könnte ich das „aus christlicher Sicht“ verdammen und Amen sagen. Aber ich habe mich erinnert, dass das gar nicht so neu ist: vor langer Zeit war es bei uns durchaus üblich, dass Eltern bestimmen, wen das eigene Kind heiratet. Arrangierte Ehen: auch heutzutage in einigen Länder die Regel. Das Paar sieht sich erst bei der Zeremonie. Und ich habe mich gefragt, warum lassen zwei Menschen eine Fernsehshow bestimmen, wem sie ihr Jawort geben? Für Geld? Oder steckt dahinter ein Problem, dass viele Männer und Frauen heute haben: den richtigen Partner, die passende Partnerin zu finden? Vor allem jenseits der dreißig wird es immer schwieriger. In dem Alter sind die Paare der Standesamt-Show. Da hilft auch nicht wirklich eine App auf dem Handy, die vorsortiert. Denn: wie sich entscheiden, wenn die tausende von interessanten Kandidatinnen und Kandidaten vorschlägt? Auch wenn die Prognose schlecht ist: ich wünsche dem Polizeikommissar aus St. Wendel und der Sachbearbeiterin aus Völklingen, dass auch bei ihnen dem Wollen ein Gelingen folgt.

 

Der Link zur Mediathek: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=132520