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Anschluss verpasst!

„Sehr geehrte Damen und Herren  ! Wir erreichen in wenigen Minuten Mannheim. Alle vorgesehenen Anschlusszüge werden erreicht!“

Laut ertönt die Ansage  durch den Zug und ich bin erleichtert. Vor allem, weil ich meinen Zug nach Saarbrücken bekommen werde. Spät in der Nacht möchte ich eben einfach nur noch gut nach Hause kommen.

Aber die Ansage bringt mich auch zum Nachdenken. „Alle vorgesehenen Anschlusszüge werden erreicht!“ Wenn das Leben nur immer so wäre.  Alles erreichen, was man so für sich und andere Menschen vorsieht und wovon Mann  oder Frau sicher ist: Das ist der beste Weg.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe nicht  alle Anschlüsse erreicht wie geplant. Wie oft bin ich in meinem Leben Hindernissen begegnet, die mich  an vermeintlich guten Zielen vorbeilenkten?! Dann hieß es: Anschluss verpasst! Ziel nicht erreicht.

Wenn ich heute an einige solcher Situationen zurückdenke, dann merke ich, dass immer noch heftige Gefühle in mir hochkommen: Ärger, Trauer oder Angst. Meist verbinde  ich nichts Gutes damit, umgeleitet zu werden und mein Ziel nicht wie geplant zu erreichen. Mein Blick bleibt  fixiert  auf das Verpasste und ich  bin  dann selten bereit,  den veränderten Anschluss anzunehmen. Im ersten Moment nie!

Wenn ich Menschen als Telefonseelsorger begleite, ist genau dies ein großes Thema: Viele  leiden darunter, dass sie  die gesetzten oder gewünschten Ziele nicht erreichen oder erreicht haben. Menschen bleiben hängen  an verpassten Gelegenheiten und unerfüllten Wünschen.

Das macht unglücklich. Im doppelten Sinn. Denn zum eigentlichen Unglück des verpassten Zieles kommt das Unglück, sich vielleicht nie im  Leben mit der veränderten Situation abfinden zu können. Um im Bild zu bleiben: Es ist wie ein Leben auf einem  Umsteigebahnhof ohne je wieder in einen Zug einzusteigen, weil der  vermeintlich „Richtige“ ja abgefahren ist.

Was hilft dabei, sich einzulassen auf das Unvorhersehbare und wieder offen zu sein für das, was ist?

Mir hilft, dass ich mich erinnere! Wie heißt es so wunderbar in der jüdischen Tradition: „Das Geheimnis der Erlösung ist die Erinnerung!“ Selbst die größte Erlösung bleibt unsichtbar und spielt damit keine Rolle für unser Leben, wenn wir uns nicht an sie erinnern! Meine Erinnerung lautet: Für jeden Richtungswechsel,  für jede Veränderung,  ja, sogar für jeden Sturz gilt: Wir können nicht tiefer fallen  als in Gottes Hand. Anders gesagt: Gottes Ja gilt immer.  Und überall.

Diese Erinnerung tröstet mich und sie spiegelt sich wider in einem besonderen Miteinander. Es  hilft, wenn  ich mich Menschen anvertrauen kann mit meinem Scheitern. Und es hilft, wenn ich mich für das Leben der Anderen interessiere und danach frage.  Gottes „Ja“ zu mir findet so sein Abbild in meinem Mut zum Erzählen und in meinem Mut zum Hören.

„Zum Hören?“, werden Sie vielleicht fragen.

Ja , auch zum Hören!