Beiträge

Alter an der Kasse

Die Auszubildende an der Kasse des Supermarktes hat zwar keine Flügel aber die Geduld eines Engels. Vor ihr steht ein sehr alter Mann, der seinen überschaubaren Einkauf bezahlen will. Tief gebeugt, die Gehhilfe im Einkaufswagen. Er kramt schon eine ganze Weile im Münzfach seines Geldbeutels nach dem passenden Kleingeld, statt es bei seinem Fünfzig-Euro-Schein zu belassen. Den hält die junge Frau an der Kasse nämlich bereits eine Weile in der Hand. Hinter ihm wird die Warteschlange länger und länger. Einige stöhnen und grummeln deutlich. Ich bleibe betont gelassen. Endlich überlässt er sein Portemonnaie der Kassiererin. Die hat die Münzen schnell beisammen, und er macht den Weg frei für den nächsten, für mich. Mein Einkauf liegt längst auf dem Band, routiniert und schnell wickeln der geduldige Engel hinter der Kasse und ich das ab.

„Hat mir imponiert, ihre Geduld“, will ich bei ihr punkten. Und etwas lauter: „Die hat nicht jeder“.

Der Engel widerspricht: „In der Schlange würde mich das auch nerven. Aber an der Kasse kann ich mal Tempo rausholen, wenn so Alte kommen. Und verrechne mich nicht.“

„Geh weiter, Klugscheißer. Das ist mein Nachbar, der Karl,“ tönt es von hinten. „Tausendmal hab ich dem angeboten, mit ihm einkaufen zu gehen. Aber nein. Stur is‘er. Und nachher bleibt er mit seinem Mercedes wieder am Mäuerchen neben der Garage hängen. Nä, sein se mal nich so hochnäsig, junger Mann!“

Ich gehe nachdenklich. In der Bibel erzählt Jesus von einem Mann, der Gott dafür dankt, dass er nicht so übel, nicht so böse ist wie andere Leute. Und er kommt sich dabei toll vor.

Gut, dass die Auszubildende und der Mann in der Schlange nicht wissen, warum ich vielleicht so aufreizend geduldig sein kann. Ich hab nämlich Urlaub…