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Alles wird gut

„Alles wird gut!“ Wurden Sie auch schon einmal so getröstet? „Alles wird gut, das wird schon wieder.“ Aufmunternde Worte in harten Zeiten: Die Liebste hat mich verlassen – „Alles wird gut!“ Das Corona-Virus hat mich erwischt – „Alles wird gut!“

Es gibt Momente, da klingt das wie eine leere Phrase. Bedeutungslos. Meine Mutter hat Demenz, es wird nicht wieder gut! Meine große Liebe ist gestorben, es wird nicht wieder gut!

Ich bin Christ und glaube an einen Gott, der es gut mit mir meint. Aber bei solchen Erfahrungen, da werde ich sprachlos. Das erschüttert mein Vertrauen in einen guten Gott. Denn ja, ich glaube, Gott ist im Guten zwischen uns spürbar, in allem, was mich froh macht. Aber ist das nicht zu kurz gedacht? Ein Gott, der nur in der Liebe erfahrbar ist? Wenn das so wäre, dann würde ich, wenn ich mich mit meiner Trauer, mit dem, was mich belastet, an Gott wende, keine Antwort bekommen. Und so von Gott allein gelassen zweifele ich zurecht daran, ob es diesen Gott überhaupt gibt. Aber wenn ich dieses Gefühl der Abwesenheit Gottes aushalte, mich damit auseinandersetze, dann kann mir etwas ganz anderes widerfahren. Denn Gottes Liebe ist nur eine Seite, wie sich Gott im Leben zeigt. Gott wird oft gerade dort erfahren, wo Schmerz, Einsamkeit und Tod das Leben dominieren. Und manchmal sogar gerade da, wo ich das Gefühl habe, Gott ist weit weg von mir.

Wenn ich Unbegreifliches erlebe, dann hilft mir kein floskelhaftes „Alles wird gut“, denn allzu oft wird es das nicht. Auch eine Vertröstung auf Gott hin, der wie mit einem Fingerschnippen das Böse beseitigt, hält den Erfahrungen des echten Lebens nicht stand. Egal wie sehr ich es mir wünsche: niemand wird gesund, der unheilbar krank ist, und niemand lebendig, der gestorben ist. Wenn Gott also nicht die Welt aus den Angeln hebt, um alles wieder gut zu machen, was meint Jesus dann, wenn er in der Bibel sagt: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“?

Ich habe erlebt, wie Menschen mit dem Gefühl ringen, von Gott verlassen zu sein. Ein Erlebnis: 50 Jahre waren die beiden verheiratet. Letzte Woche ist seine Frau gestorben. Ich werde sie beerdigen.

„Eine gute Ehe war es“, sagt er bei unserem Gespräch.

„Was war das Geheimnis dieser guten Ehe?“, frage ich.

„Wir haben zusammen Spaß gehabt und gelacht, aber wir haben uns auch gestritten, bis die Fetzen fliegen, das gehört dazu. Ich vermisse sie sehr“, sagt er mit Tränen in den Augen. „Besonders am Abend. Wie soll ich jetzt allein leben? Ich war seit fünzig Jahren nicht mehr allein“

Wir schweigen eine Weile.

„Möchten Sie, dass ich für Sie bete?

Er nickt. Und ich bete, aber ich bitte nicht, sondern ich klage. Bringe vor Gott, wie groß das Loch in seinem Leben, wie unermesslich die Sehnsucht ist. Und wie brennend der Schmerz des Vermissens. Dann atmet er tief aus. „Danke“, sagt er, „das tat gut“.

Nicht das Versprechen „Alles wird gut“ hat den Mann in seiner Trauer gestützt, sondern vor Gott auszusprechen, was nicht gut ist, Gott genau dort zu erwarten, wo es schmerzt. Das Leben wird mich immer wieder an meine Grenzen bringen. Das wird wehtun, kein Weg führt daran vorbei. Damit ich nicht aufgebe, einen Lichtstrahl sehe, wenn alles düster ist, verspricht mir mein Gott vor allem eines: Da zu sein, ansprechbar zu sein, auch wenn ich wütend bin. Auch dann, vielleicht sogar gerade dann, wenn die Fetzen fliegen. Denn das ist das Geheimnis einer langen und lebendigen Beziehung. Sei es eine Partnerschaft oder eine Beziehung zu Gott.