Alles Gute, Syrien!

Am vergangenen Sonntag rief meine Frau mich an: Sie stecke im Stau und komme etwas später heim. „Unfall?“ frage ich. „Nö“, sagt sie. „Syrer“. Rund 4000 Syrer leben im Saarland. Viele von ihnen bejubelten auf den Straßen das Ende der Assad-Diktatur.
Nicht alle haben Verständnis für diesen Jubel. Sarah Wagenknecht z.B. hat sich gegenüber dem Magazin stern so geäußert: „Von den Syrern, die hierzulande die Machtübernahme durch Islamisten bejubeln, erwarte ich, dass sie möglichst bald in ihr Heimatland zurückkehren”. Nein, Frau Wagenknecht. Die Menschen, derentwegen meine Frau am Sonntag im Stau steckte, bejubelten nicht die Machtübernahme durch Islamisten, sondern das Ende eines grauenhaften Folter-Regimes.
Ich finde es beschämend, dass nur wenige Stunden nach der Flucht des Diktators Assad nach Russland in der deutschen Politik ein Überbietungswettbewerb der Rückführungsfantasien losgetreten wurde. Bei vielen Personen aus Syrien sei der Fluchtgrund entfallen. „Selbstverständlich müssen diese Personen auch zeitnah in ihr Heimatland zurückkehren”, so Alice Weidel von der AfD. Das überrascht nicht wirklich. Irritiert hat mich allerdings, dass es auch manch namhaftem Unionspolitiker nicht schnell genug gehen konnte, Ideen zum Thema Rückkehr und Rückführung zum Besten zu geben. Im Moment ist doch völlig unklar, ob Syrien in naher Zukunft ein Land sein wird, in das zurückzukehren man Menschen guten Gewissens zumuten kann. Deshalb ist es rechtlich zurzeit gar nicht möglich, jemandem den Schutzstatus zu entziehen und ihn gegen seinen Willen zurückzuführen.
Das Rückkehr-Thema ist vor allem eines: Wahlkampfgetöse.
Es geht auch anders: „Ich hoffe, dass viele syrische Flüchtlinge in Deutschland bleiben. Sie sind nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern wir brauchen sie auch als Arbeitskräfte.” Das sagt André Neumann, Oberbürgermeister von Altenburg und Vorstandsmitglied der CDU-Thüringen. Und er hat Recht. 25% der Syrer in Deutschland arbeiten, also etwa eine Viertel Million. Darunter 6000 Ärztinnen und Ärzte. Viele haben Unternehmen gegründet. Hoffentlich wollen die nicht alle heim. Wir brauchen qualifizierte Einwanderung, um unseren Wohlstand zu erhalten. Das sagen, außer der AfD, alle Parteien. Experten sowieso.
Im Februar wird gewählt. Ich weiß noch nicht, was ich wählen werde. Jedenfalls keine Partei, die meint, mich mit platten Parolen ködern zu können.
Syrien und allen Syrern, die in ihr Heimatland zurückkehren, wünsche ich eine gute Zukunft.
Hier der Link zur SR-Mediathek: https://www.ardmediathek.de/video/aus-christlicher-sicht/aus-christlicher-sicht-12-12-2024/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9BQ1NfMTQ4MDMw