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Älter aussehen

Bei einem Jazz-Konzert vor einigen Jahren: Da steht im Programm, dass der Saxophonist 84 Jahre alt sei. Dabei spielt er mitreißend und sieht keinen Tag älter aus als 60. In der Pause geht eine jüngere Frau zu ihm und macht ihm ein Kompliment: „Ich muss Ihnen das einfach sagen: Sie spielen wundervoll, und Sie sehen aus, als wenn Sie erst 60 wären.“ Der Saxophonist lächelt. „Stimmt ja auch! Der 84jährige, der da im Programm steht, ist heute krank.“

Was hätte er wohl gesagt, wenn das Kompliment so gelautet hätte: „Sie spielen wundervoll – und das in Ihrem Alter!“ Wahrscheinlich hätte er auch gelächelt, aber zurückgefragt: „Was ist mit meinem Alter?“ Und ihr wäre das dann vielleicht peinlich gewesen. Unser Alter und unser Aussehen ist ab einem bestimmten Punkt ein immer wiederkehrendes Thema. Und Anlass für unzählige Komplimente und Peinlichkeiten.

Der Dichter Bert Brecht erzählt einmal die Geschichte, wie Herr Keuner einen Bekannten trifft, den er lange Zeit nicht gesehen hat. Und dieser Bekannte bewundert ihn: „Sie haben sich ja überhaupt nicht verändert!“ „Oh“, sagt Herr Keuner erschrocken und erbleicht. Denn – sich nicht mehr verändern heißt ja, man ist tot. Umgekehrt heißt das: „Sich verändern“, also auch „älter werden und so aussehen“, ist ein Zeichen von – Lebendigkeit. Und nichts, was man verstecken oder verheimlichen müsste.