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Adventskranz

Deutschland geht durch dunkle Zeiten. Die Preise für Lebensmittel schießen durch die Decke. Wohnraum wird unbezahlbar. Und am meisten leiden Kinder und Jugendliche. Die Kirchen, verstrickt in Rückzugsgefechte, verlieren den Kontakt zu den Menschen ihrer Zeit. Und die Menschen? Hören einfach auf zu glauben.

Ich spreche vom ersten Advent – 1839. Bald 200 Jahre ist es her. In einem Fischerhaus vor den Toren von Hamburg stellt der Theologe Johann Hinrich Wichern vier große weiße Kerzen auf ein ausgedientes Wagenrad. Dazwischen setzt er 22 kleine rote Kerzen, und erfindet so: den Adventskranz. Zeichen seiner Hoffnung in damals dunklen Zeiten.

Wichern ist eher Sozialarbeiter. Als Pfarrer hatte er keine Stelle gefunden. Doch sein Konzept der Jugendhilfe ist bei reichen Gönnern angekommen. Er holt Gruppen von zehn bis zwölf Jungen und später auch Mädchen von der Straße. Er gibt ihnen in Kinderfamilien eine neue Heimat. Wicherns Schützlinge lernen lesen und schreiben, sie erlernen ein Handwerk und den christlichen Glauben kennen.

Wichern ist geschickt. Mit seiner Idee von den Kinderfamilien trifft er die Herzen seiner Sponsoren. Zugleich verfolgt der Theologe aber ein revolutionäres Konzept: keine Schläge, Strafen und Verbote, sondern Liebe, Verständnis und offene Türen sollen die Kinder stark machen, gegen die Härte der Straße. Im November 1839 baut er für sie den weltweit ersten Adventskranz, mit seinen 26 Kerzen eigentlich sogar einen Adventskalender.

Wicherns Kranz leuchtet heute noch in vielen Wohnzimmern, vielleicht auch bei Ihnen. Für seinen Erfinder war es nicht einfach eine schöne Dekoration. Wichern wollte mehr. Im Kern verfolgte er ein Konzept der Neu-Christianisierung in unchristlicher Zeit. Die meisten seiner jungen Schützlinge hatten von Weihnachten keinen Schimmer. Also von dem, was sich mit der Geburt von Jesus Christus verbindet.

Wichern setzte all seine Lebensenergie und Liebe ein, um diesen Straßenkindern Gottes Liebe zu zeigen. Ganz praktisch, indem er sie aus dem Elend holte, und mit liebevollen Worten und Gesten. So wie mit dem Kerzenlicht auf seinem Kranz. Damit diese Kinder nicht vor lauter Dunkelheit – einfach aufhören würden zu glauben.

 

Hier der Link zur ARD-Mediathek:

https://www.ardmediathek.de/video/aus-christlicher-sicht/aus-christlicher-sicht-01-12-2022/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9BQ1NfMTIyMDc5