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Advent

Gefühlt ist ja eigentlich morgen schon Heiligabend. Nikoläuse gibt’s seit September im Supermarkt, Weihnachtsdeko seit Oktober. Ach ja, und der Weihnachtsmarkt in Saarbrücken. Der ist auch schon eine Woche früher offen als sonst. Zur Vermeidung von Umsatzeinbußen. Dabei haben wir noch nicht mal den ersten Advent. Sogar das Wetter hat erst gestern auf winterlich umgeschwenkt. Irgendwo habe ich gelesen: immer mehr Deutsche stellen ihre Weihnachtsbäume schon Anfang Dezember auf, geschmückt und beleuchtet. Entsorgen sie aber immer schneller, manchmal noch am Fest. Soll ich mich nun „aus christlicher Sicht“ darüber aufregen? Ändern würde es nichts, und es heißt dann wieder: „Ja, ja, Kirchenmann, du Spaßbremse!“ Außerdem könnte mich ja jemand morgen auf dem St. Johanner Markt beim Glühweintrinken erwischen… Gut, wenn ich als Angehöriger, der einen lieben Menschen betrauert, durch „Last Christmas“ Gedudel und Glühweinduft zum Gedenkgottesdienst an Totensonntag gehe… Aber nein, das würde mich nicht ärgern. Dafür wäre ich viel zu sehr bei dem Menschen, den ich verloren habe. Nein, ich will nicht schimpfen. Aber traurig bin ich schon. Manchmal denke ich wehmütig an meine Kindheit zurück. Die Zeit vor Heiligabend, die sich ewig gedehnt hat; zäh sich öffnende Fensterchen am Adventskalender; sonntags morgens feierlich angezündete Kerzen auf dem Adventskranz. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier. Dann steht das Christkind vor der Tür. Auch der Heiligabend lief nach immer gleichen, strengen Regeln ab: der Weihnachtsbaum wurde erst morgens am Heiligabend geschmückt und verborgen hinter der verschlossenen Tür zum Wohnzimmer. Dann am frühen Abend in die Kirche. Die war bis zum letzten Platz besetzt. Alte Weihnachtslieder, schräg spielende Posaunen und die uralte Geschichte vom Kind in der Krippe: Euch ist heute der Heiland geboren! Wieder zu Hause gab es Würstchen und Kartoffelsalat. Und dann, dann endlich, das Glöckchen hinter der Tür und hinein zum leuchtenden Baum. Hach, da bekomm ich doch glatt feuchte Augen. Hat vermutlich damit zu tun, dass ich älter werde. Da verklärt sich vieles. Anderen empfinden aber auch so wie ich: Wir verlieren den Rhythmus des Jahres. Die Passionszeit samt Ostern haben längst die Osterhasen erobert. Der stille November mit seinen Gedenktagen ist weihnachtlich übertönt. Und das Weihnachtsfest, das kann dann am Ende auch nicht mehr so richtig strahlen. So, jetzt hab ich nicht geschimpft, aber doch gejammert. Deshalb zum Schluss ein Tipp: Es gibt die Möglichkeit, Advent und dann auch Weihnachten pur zu erleben. An den Adventssonntagen in den vielen Gottesdiensten der Kirchengemeinden. Und anschließend geht’s dann auf den Weihnachtsmarkt zu Glühwein und „Last Christmas“.

 

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