Malediktologie
„Ihr Schlangen und Otterngezücht“, so hat Jesus mal seine Gegner beschimpft. Jesus hat Leute beschimpft? Also geflucht? Ja, offensichtlich. Und nicht nur er. Mein Lieblingsfluch in der Bibel stammt vom Apostel Paulus. „Du getünchte Wand“ sagte er während eines Verhörs zum Hohenpriester Hananias. Die „getünchte Wand“ ist die notdürftig übermalte verkommene Fassade. Manche Bibelausleger sagen, mit der getünchten Wand sei die Wand gemeint, an der Männer sich erleichtern. Das wäre dann richtig derb.
Und derb geht‘s nun mal zu beim Fluchen. Dabei hat jede Kultur ihre Eigenarten. In katholisch geprägten Regionen, von Bayern bis Palermo, geht’s beim Fluchen gotteslästerlich zu: „Kruzefixsakrament“. In protestantisch-prüden angelsächsischen Ländern geht’s beim Fluchen immer um Sex. Das kann ich jetzt hier nicht wiedergeben. Muss ich auch nicht. Sie kennen das F-Wort. In der arabischen Welt wird gerne die Familie des Gegners beschimpft: „Ich furze in den Bart deines Vaters“. Und bei uns in Deutschland geht’s, überwiegend jedenfalls, auch um den Unterleib. Aber nicht um Sex, sondern um Stuhlgang und um die dazugehörige Körperregion. Du A… Das ist doch Sch…
Führende Malediktologen schlagen nun Alarm. Führende was? Malediktologen. Schimpfwortforscher. Ja, so was gibt’s. In Deutschland, warnen sie, werden die Fäkal-Flüche zunehmend verdrängt durch die sexualisierten Flüche der angelsächsischen Welt. Weniger Sch…. Mehr F… Na und? Sprache ist halt nun mal im Wandel. Oder?
So harmlos ist es wohl nicht. Weil die sexualisierten Flüche nämlich sehr viel aggressiver sind. Und, wenn man genau hinhört, tendenziell frauenfeindlich. Da kann ich nur sagen: Rettet das Sch-Wort.
Noch besser, könnte man meinen, wäre es, gar nicht zu fluchen. Aber ich bin da nicht so sicher. Weil Fluchen so etwas ist, wie der Blitzableiter der Seele. Es leitet die Aggressionen ab. Irgendwo müssen die ja hin. Besser fluchen als schlagen oder schießen. Diese Sch-Worte braucht nun wirklich keiner.