Zusammen-leben
Die tollen Tage sind vorbei. Aber manche Bilder lassen mich noch nicht los. Im Düsseldorfer Rosenmontagszug war die jüdische Gemeinde erstmals mit einem eigenen Wagen dabei. Und mit auf dem Wagen fuhr Dalinc Dereköy vom Kreis der Düsseldorfer Muslime. Vermutlich alkoholfrei, aber nicht weniger jeck.
Ich finde, im Straßenkarneval kann man wunderbar zusammen feiern, ganz gleich ob man die Leute schon kennt oder noch nicht. Das ist einfach Zusammen-leben, oder Zusammenleben-einfach. Wenigstens für den Moment. Zurück im Alltag sieht es leider anders aus. 1453 antisemitische Straftaten zählte die Polizei im vergangenen Jahr. Das sind jeden Tag vier Übergriffe, zu fast 95% rechtsextrem motiviert: Friedhofsschändungen, Sachbeschädigungen, Beleidigungen, tätliche Angriffe. Hinzu kommt eine Judenfeindlichkeit, die manche Eingewanderte aus ihren Herkunftsländern mitgebracht haben. Einfach zusammenleben? Im Alltag sind wir noch längst nicht soweit.
Der Bundestag hat kürzlich beschlossen, dass es einen Antisemitismus-Beauftragten geben soll. Der evangelische Vertreter bei der Saarländischen Landesregierung, Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann, regt dazu an, solch eine Antisemitismus-Beauftragung auch im Saarland zu schaffen. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Saarbrücken, Richard Berman, äußerte sich allerdings eher skeptisch. Auch er kann von Anfeindungen und Gefahren berichten. Aber er fragt nach der praktischen Wirkung. „Was kann eine einzelne Person schon ausrichten?“, sagte er gegenüber der Saarbrücker Zeitung. Das Ziel ist gemeinsam. Antisemitismus fließt als schleichendes Gift durch unsere Gesellschaft. Nur wie bekämpft man ihn am besten? Eine Beauftragung im Saarland würde den versteckten und den offenen Hass sichtbar machen und dem Thema ein Gesicht geben. Aber die Blickrichtung scheint auf einen Missstand orientiert, also quasi negativ. Kann das allein schon positiv zu einer anderen Haltung führen, in den Köpfen und Herzen von Menschen, die noch nie jüdischen Saarländerinnen und Saarländern begegnet sind?
Ich denke, gegen Antisemitismus helfen vor allem gute Erfahrungen. Eben durch fröhliche Momente des Zusammenlebens im großen wie im kleinen Alltag. Wenn ich sehe, welch riesige Wirkung die einzelne Idee eines jüdischen Karnevalswagens erreicht hat, dann wünsche ich mir mehr solche Beispiele der sichtbaren Gemeinschaft. Ein Antisemitismus-Beauftragter im Saarland kann etwas bewirken. Er oder sie müssten ihre Rolle aber besonders auf das sichtbare Zusammenleben hin gestalten und darin unterstützt werden.