Im Dunkeln nicht loslassen

Es zerreißt einem das Herz. Ein junger Mann, 34 Jahre alt, im Einsatz erschossen. Seine Kinder werden den Vater nicht mehr wiedersehen. Seine Frau bleibt allein zurück. Eine Familie, die in einem Augenblick auseinandergerissen wird.
Ich bin selbst in diesem Alter. Ich habe Kinder. Und wenn ich morgens das Haus verlasse, sage ich ihnen selbstverständlich: „Heute Abend bringe ich euch ins Bett.“ Doch das Schicksal dieses Familienvaters zeigt mir: So sicher ist das nicht. Nichts liegt in meiner Hand. Das Leben ist zerbrechlich. Und es macht mich demütig, das zu begreifen.
Aber diese Einsicht gibt keinen Trost. Mir fehlen die Worte, die tragen. Ich stehe mit leeren Händen da. Und jedes vermeintlich tröstliche Wort klingt dumpf, hohl, wenn es gegen eine solche Trauer anreden will. Nichts kann erklären, nichts kann wegreden. Darum bleibt mir nur zu klagen. Klagen heißt: Ich nehme den Schmerz ernst. Ich darf weinen und zittern und schreien. Ich darf Gott anklagen für das, was hier geschehen ist. Mit harten Worten Gott die ganze Ungerechtigkeit vorhalten. Denn die Klage ist kein Unglaube. Wenn ich klage, vertraue ich darauf, dass mein Schrei gehört wird. Ich weiß: Gott hält das aus!
Aber ich weiß auch: wer so einen Verlust beklagt, hält das nicht allein aus.
Wir brauchen einander. Wenn wir schweigend nebeneinander stehen.
Wenn wir Tränen teilen und uns fest umarmen. Wenn wir eine Kerze anzünden oder einfach nur bleiben, wenn es ganz still wird. Das trägt mehr, als Worte es je könnten. Denn manchmal ist es das Einzige, was wir tun können:
gemeinsam aushalten, gemeinsam trauern, gemeinsam die Luft anhalten, gemeinsam ertragen, was eigentlich nicht zu ertragen ist.
In diesem Miteinander liegt eine Kraft. Wenn ich nicht allein tragen muss, öffnet sich ein Raum, der größer ist als ich selbst. Ein Raum, der weiter reicht als meine eigenen Kräfte. Und wenn wir einander so halten, im Wissen um unsere eigene Zerbrechlichkeit, dann ist das Demut: Wir haben das Leben nicht in der Hand. Und es ist Hoffnung: Wir sind nicht allein. Das ist der Trost, den es jetzt geben kann: uns im Dunkel nicht loslassen!
Hier geht es zur ARD-Mediathek:
https://www.ardmediathek.de/video/aus-christlicher-sicht/aus-christlicher-sicht-04-09-2025/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9BQ1NfMTU3NTQx