Alles im Griff?

Es ist Sonntagmittag. Ich habe gerade den Gottesdienst gehalten. Die Kirche war voll, die Predigt ist richtig gut angekommen und ich hab nach dem Gottesdienst mit bester Laune die Leute an der Kirchentür verabschiedet. Es ist halt wirklich schön, wenn man das Gefühl hat: Ja, ich hab alles im Griff.
Nach dem letzten „Auf Wiedersehen“ räume ich noch die Gesangbücher weg, lösche die Kerzen, summ ein bisschen selbstzufrieden vor mich hin und will dann auch in den Feierabend gehen. Also greife ich die Klinke der großen Kirchentür und will sie aufziehen – aber das Einzige, was ich da plötzlich noch im Griff gehabt habe – ja, das war der Griff. Ich hab ziemlich blöd geschaut. Und egal wie sehr ich an der Tür geruckelt, gezogen oder geklopft habe: Die Tür ist zugeblieben. Und draußen sind schon längst alle Gemeindeglieder nach Hause gegangen.
Also bleibe ich. In der Kirche. Allein. Und habe Zeit. Viel Zeit. Zum Nachdenken. Über Kontrolle. Über Selbstzufriedenheit. Über das Gefühl, alles im Griff zu haben und wie es sich anfühlt zu merken, dass es plötzlich nur noch der Türgriff ist.
Nach ein paar Stunden hör ich einen Schlüssel und das Quietschen der Kirchentür. „Gott sei dank“, denke ich – und falle der verdutzten älteren Dame um den Hals, die sich eigentlich nur gewundert hat, warum noch Licht brennt. Sie hat mir die Tür geöffnet – und ich hab mal wieder gelernt, dass es nur einen gibt, der wirklich alles im Griff hat.