Autonomiephase

Mein Sohn ist eineinhalb Jahre alt und er erobert gerade die Welt. Jede Stufe muss erklommen und jede Tür geöffnet werden. Jeder Ball muss geworfen und alle Brotdosen ausgeräumt sein.
Natürlich sind vor allem die verbotenen Dinge interessant. Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen versucht er also immer wieder, an Steckdosen zu greifen. Oder er rennt so schnell er kann zu einer gefährlichen Treppe. Werden ihm diese Abenteuer verwehrt, beschwert er sich lauthals.
„Das ist normal“, sagen Freunde, „er ist gerade in einer Autonomiephase.“
Er möchte selbstständig, autonom werden, möchte seine Grenzen ausloten und herausfinden, wie diese Welt funktioniert. Und, wer er darin ist. Das schafft mehr Klarheit für ihn, auch wenn es nicht immer schön ist, an diese Grenzen zu stoßen.
Ich glaube, mir würde eine Autonomiephase auch mal wieder guttun. Mutig auf die Probe zu stellen, wer ich bin, und ob die Grenzen, die ich kenne, richtig sind und immer noch Geltung haben. Vielleicht bemerke ich dann, wer ich sein könnte. Und entdecke eine ganz neue Welt, die es zu erkunden und zu erobern gilt.