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Gott sieht Dich an, damit Du stark wirst

Noch keine zwei Wochen her, da brachte ich eine meiner Lieblingskarten mit in die Gesprächsgruppe älterer Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, in dem ich als Seelsorgerin arbeite: „Herr, gib mir Geduld aber zackig“ steht darauf und für mich ist es genau so!

Geduldig bin ich nicht. Vielmehr bräuchte ich manches Mal eine Bremse, die mich von vorschnellen Handlungen oder Reaktionen abhält. Wär‘ schon schön für mich, wenn Gott mir diese Bitte ab und an erfüllen würde: „Herr, gib mir Geduld, aber zackig!“ In der Gesprächsgruppe lachten wir über diese Bitte. Sie gab den Anlass, einmal miteinander darüber nachzudenken, welche Stärke denn jede einzelne durchs Leben getragen hat. Und dann auch: welche Schwäche schon lange das Leben mühsam macht.

Wie ungewohnt für die älteren Frauen! Aber nach erstem Zögern sagt eine: „Ich bin eben so, wie ich bin, alt geworden. Wenn ich nicht so duldsam wäre, wär‘ ich wohl schon gestorben. Ja, ich bin duldsam.“

Darauf antwortet sofort eine andere Frau: „Sie meinem wohl geduldig.“

„Nein, ich meine duldsam, wissen Sie, seit über zehn Jahren gehe ich zur Dialyse und sammle in den übrigen Tagen Kräfte für die nächste Blutwäsche, ich bin jetzt neunundachtzig Jahre alt und halte es aus, dass mich viele schon abschreiben wollen. Aber: es lohnt sich alles, jeder Tag, mich trägt meine Duldsamkeit: das ist die Kraft zu ertragen. Geduldig sein ist abwarten können. Das lernt man spätestens im Krankenhaus, oder?“

Mensch, was für eine Aussage über die Kräfte, die durchs Leben tragen. Und was für ein Unterschied: Duldsam sein und geduldig sein – alle scheinen sich auf ihre Lebenswege zu besinnen. Wir bleiben darüber im Gespräch. Mir kommt dabei ein Satz aus der Bibel in den Sinn: Barmherzig, geduldig und gnädig ist Gott und von großer Güte.

Die anderen wagen jetzt ebenso, von ihren Stärken zu erzählen: „Mein eiserner Wille“, sagt ein Mann, „alle nennen mich stur, aber ich habe schon so oft meine Willenskraft gebraucht, sonst hätte ich als Kind schon den Krieg nicht überlebt.“

„Genau“, sagt eine dritte Frau, „genau, das schafft man nur, wenn man besonders ist, ich glaub, ich kann auch viel ertragen, aber ich wurde auch immer irgendwie gerettet, also vielleicht ist mein Glaube an Rettung meine Besonderheit.“

Wie berührend diese über Achtzigjährigen über sich sprechen! Geduldig hören wir einander zu. Und wie recht hat da die alte Frau: mit ihrer Duldsamkeit ausgerüstet wird sie nachher zur Dialyse gefahren und alle diese alten Menschen gehen ein wenig selbstbewusster in den Tag im Krankenhaus: sie sind sich etwas bewusster geworden, was sie auszeichnet, um das Leben zu tragen, manchmal zu ertragen und immer wieder auch zu gestalten. Es lohnt sich, dabei auch feine Unterschiede zu machen, wie den zwischen Geduld und Duldsamkeit: Abwarten und Ertragen.

Und von meiner Seite gebe ich den altgewordenen Männern und Frauen den Bibelvers mit, den ich dank unseres Gesprächs viel besser verstehe: Barmherzig, geduldig und gnädig ist Gott und von großer Güte.

Jetzt ist es mir bedeutsam geworden, wie geduldig Gott mit uns ist und wie er uns in seiner Barmherzigkeit rettet und durch seine Güte aus Geduld sogar Duldsamkeit wachsen lässt. Mir gibt die Gesprächsgruppe sehr viel Mut und Tatkraft mit in den Tag, denn auch über mir wacht der Gott, der gnädig mit mir durchs Leben geht. Probieren Sie es aus, wie lebenswert groß der Unterschied werden kann, sich nicht nur gerettet, sondern auch gestärkt zu fühlen in den eigenen einzigartigen Gaben, die den einen oder die andere sogar duldsam werden lassen!