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Ostermontag – Dorothee Sölle, über auferstehung

 Musik 1:        My Lord, what a morning (trad.). Aus dem Album: Heaven (Gospels & Spirituals) von Sophia Oster and Gabriel Coburger

 

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer! Das eben war ein Titel vom Album Heaven von Sophia Oster und Gabriel Coburger.

Die Pianistin, Sängerin und Komponistin Sophia Oster hat sich nach einer klassischen Ausbildung dem Jazz zugewandt und gehört zusammen mit dem Saxophonisten und Flötisten Gabriel Coburger zu den Stars der Hamburger Jazzszene.

Sie werden noch drei weitere Titel aus dem im letzten Jahr erschienenen Album in dieser Morgenfeier am Ostermontag hören.

„Ostern ist das eigentliche Weihnachtsfest“, hat mal jemand gesagt. Denn nach der Kreuzigung dachten die Menschen, dass dieser Jesus endgültig Geschichte ist. Tot. Gescheitert. Vorbei. Alles aus. Die Gegner haben gewaltsam ein Ende gesetzt.

Und dann diese monströse Behauptung drei Tage später: der Mann war zwar tot, aber nun ist er wieder lebendig. Es geht weiter. Ostern – das Fest der Auferstehung von den Toten. Wichtiger als Weihnachten. Aber noch schwerer zu begreifen, als die wundersame Geburt im Stall.

Auferstehung von den Toten – von Beginn an umstritten, unbegreiflich, monströs. Und heute, in einer Welt, die fast alles aufgeklärt hat, noch unfassbarer. Auch für mich. Und auch für Dorothee Sölle, die vor 20 Jahren verstorbene feministische Theologin und Dichterin.

Eine Anerkennung im Wissenschaftsbetrieb blieb Dorothee Sölle weitgehend versagt. Als theologische Schriftstellerin und Rednerin war sie dagegen weltweit bekannt. Mit ihrer Kritik am Bild vom allmächtigen Gott, mit ihrem Plädoyer für die Unterdrückten und Leidenden. Mit ihrem Engagement in der Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung.

Dorothee Sölle, über Auferstehung:

Sie fragen mich nach der Auferstehung.
Sicher, sicher, gehört hab ich davon,
dass ein Mensch dem Tod nicht mehr entgegenrast,
dass der Tod hinter einem sein kann,
weil vor einem die Liebe ist;
dass die Angst hinter einem sein kann,
die Angst verlassen zu bleiben,
weil man selber – gehört hab ich davon
…so ganz wird … dass nichts da ist…
das Fortgehen könnte für immer…

Ach fragt nicht nach der Auferstehung.
Ein Märchen aus uralten Zeiten,
das kommt dir schnell aus dem Sinn.
Ich höre denen zu,
die mich austrocknen und kleinmachen,
Ich richte mich ein
auf die langsame Gewöhnung ans Totsein
in der geheizten Wohnung,
den großen Stein vor der Tür.

Ach frag du mich nach der Auferstehung,
ach hör nicht auf mich zu fragen

(Aus: Dorothee Sölle, fliegen lernen. Gedichte, Berlin 1994)
 

Musik 2:        Lift every voice and sing (John Rosamond Johnson). Aus dem Album: Heaven (Gospels & Spirituals) von Sophia Oster and Gabriel Coburger

Ach, frag du mich nach der Auferstehung, ach hör nicht auf mich zu fragen.

So endet das Gedicht von Dorothee Sölle.

Menschen fragen sich, ob danach, nach dem Tod, noch etwas ist.

Seit ihnen bewusst ist, dass ihr Leben ein Ende hat, fragen Menschen nach der Möglichkeit der Auferstehung.

Menschen fragen in allen Religionen, vor und nach Jesus Christus. Zu allen Zeiten.

Sie fragen: „Wie ist das?“

Sie fragen: „Wann ist das?“

Sie hoffen. Und dann zweifeln sie doch wieder: „Gibt es das überhaupt, das Wiederaufstehen, nachdem alles aufgehört hat, alle Bewegung, alles Atmen?“

Und die Antworten?

Manche sagen: da sei eine Art Seelenfunken, der sich im Tod vom vergehenden Körper trennt und dann weiterbesteht.

Andere sind der Meinung, dass es auch mit dem Körper weitergeht. Er wird verwandelt.

Weit verbreitet auch der Gedanke, dass die einen in einer Art Hölle landen, andere im paradiesischen Himmel.

Und aus dem Osten kommt der Gedanke der Seelenwanderung und der Wiedergeburt.

Alle Antworten haben etwas gemeinsam: Sie sind vage, sie sind undurchsichtig, sie sind letztlich unbefriedigend, und wer ehrlich ist, sagt: „Ich weiß es nicht.“

In der christlichen Überlieferung geht das Fragen, wie das denn nun ist mit dem Jesus, der aus dem Grab wieder lebendig hervorkommt, wie das ist mit dem Aufstehen aller Toten – dieses Fragen geht sofort los. In der Bibel schon.

Die Evangelien berichten von Zweifeln im engsten Kreis um Jesus. Thomas etwa, der nicht glauben will, dass Jesus aus dem Grab gekommen ist. Nicht glauben will, bevor er ihn angefasst hat.

Auch Paulus wird gefragt, von Menschen aus Korinth, die es sich nicht einfach machen, die sich ihre eigenen Gedanken machen.

Er antwortet in einem Brief, der sich erhalten hat, ich lese ein paar Stellen daraus vor:

Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was auch ich empfangen habe: Der Messias … wurde begraben und am dritten Tag aufgeweckt nach der Schrift. Von Kephas und dann den Zwölf wurde er als Lebendiger gesehen. Danach erschien er mehr als 500 Geschwistern auf einmal, von denen die meisten heute noch leben, nur einige sind schon tot. Und er erschien danach noch Jakobus und allen Apostelinnen und Aposteln.

Als Letztem erschien er auch mir als einer Nachgeburt. Denn ich bin der Geringste in der apostolischen Gemeinschaft und nicht wert, Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. … Doch gleich, ob die anderen oder ich: So haben wir verkündigt, und so habt ihr geglaubt.

Wenn verkündigt wird, dass der Messias von den Toten aufgestanden ist, wie ist es dann möglich, dass einige von euch sagen: Es gibt keine Auferstehung der Toten?

Gibt es keine Auferstehung der Toten, dann ist auch Christus nicht aufgestanden. Ist aber Christus nicht aufgeweckt worden, dann ist unsere Verkündigung kraftlos und euer Vertrauen läuft ins Leere. Wir würden falsches Zeugnis über Gott ablegen, weil wir gegen Gott bezeugen würden, er habe den Messias aufgeweckt, den er doch nicht erweckt hat – wenn denn die Toten nicht aufstehen. Wenn die Toten nicht aufstehen, so ist auch Christus nicht aufgestanden. Ist aber der Messias nicht aufgestanden, ist euer Vertrauen sinnlos und ihr seid noch in euren Sünden. Verloren sind dann auch die, die im Vertrauen auf den Messias gestorben sind.

(Auszüge aus Erster Brief an die Korinther 15, 3-19, aus: Bibel in gerechter Sprache)

 

Musik 3:        Come sunday (Duke Ellington). Aus dem Album: Heaven (Gospels & Spirituals) von Sophia Oster and Gabriel Coburger

Paulus kommt den Menschen in Korinth mit Fakten: die haben ihn gesehen und jene. Er nennt Namen: Kephas und Jakobus, nennt Zahlen: 500 auf einmal haben ihn gesehen, und schließlich sagt er: „Ich selbst auch!“

Und er versucht es mit Logik. Wenn… dann… Wenn nicht… dann nicht…

Wenn Jesus auferweckt wurde – wie die vielen bezeugen -, dann müssen auch alle Toten aufstehen. Und wenn nicht alle Toten aufstehen, dann wäre Jesus Christus auch nicht auferstanden. Und dann hätten ja alle Zeugen gelogen.

Und Paulus folgert mit leicht drohendem Unterton: verloren wären alle dann. Noch in Sünde und nicht gerettet.

Der Versuch, etwas konkreter zu werden, wann und wie genau die Toten aufstehen – darüber spekuliert er auch ein wenig.

Schon damals stand die Frage im Raum: was ist denn dann mit dem Körper? Vor allem mit den Körpern, die schon länger tot sind.

In den Evangelien kann der von den Toten aufgestandene Jesus leibhaftig angefasst werden, ja, in einer Geschichte isst er sogar mit Appetit ein Stück gebratenen Fisch.

Soweit geht Paulus nicht. Er ergeht sich in Vergleichen aus der Tierwelt, verweist auf den Korn aus dem ein Halm wächst, spricht schließlich von einem neuen Leib, in den der alte Leib verwandelt wird. Und der sei unverweslich.

Alles sehr merkwürdig. Auch für damals, in vorwissenschaftlichen Zeiten.

Ich vermute, Paulus hatte selbst mehr Fragen als Antworten.

Das gilt auch für den Zeitpunkt. Paulus rechnet wie viele andere damals damit, dass bald die Welt zu Ende geht und dann verwandelt wird, die noch Lebenden wie die bereits Gestorbenen. Er meint sogar: noch zu seinen Lebzeiten.

Nun, da hat er sich geirrt. Muss ich knapp zweitausend Jahre später feststellen. Die Schätzungen gehen auseinander – aber spätestens im Jahr 75 nach Christus dürfte er gestorben sein.

Ach, frag du mich nach der Auferstehung, ach hör nicht auf mich zu fragen.

So endet das Gedicht von Dorothee Sölle.

Es endet so, nachdem sie ins Stammeln geraten ist:

weil man selber – gehört hab ich davon

…so ganz wird… dass nichts da ist…
das Fortgehen könnte für immer…

Und nachdem sie die Berichte als Märchen abgetan hat:

Ein Märchen aus uralten Zeiten,
das kommt dir schnell aus dem Sinn.

Aber dann auch feststellt: so vertrocknet das Leben. Sie fühlt sich klein und leblos, wie tot und eingesperrt, wenn die Fragen nach dem Danach nicht mehr gestellt werden.

Ich richte mich ein
auf die langsame Gewöhnung ans Totsein
in der geheizten Wohnung,
den großen Stein vor der Tür.

Das Fragen, das soll bleiben. So endet das Gedicht von Dorothee Sölle.

Menschen fragen sich, ob danach, nach dem Tod, noch etwas ist.

Seit ihnen bewusst ist, dass ihr Leben ein Ende hat, fragen Menschen nach der Möglichkeit der Auferstehung.

Menschen fragen in allen Religionen, vor und nach Jesus Christus. Zu allen Zeiten.

Sie fragen: „Wie ist das?“

Sie fragen: „Wann ist das?“

Sie hoffen. Und dann zweifeln sie doch wieder: „Gibt es das überhaupt, das Wiederaufstehen, nachdem alles aufgehört hat, alle Bewegung, alles Atmen?“

Das Fragen, das bleibt.

Manchmal denke ich: das ist doch schon unglaublich viel. Nicht aufzugeben mit dem Fragen. Nicht aufzugeben mit dem zaghaften Vertrauen, was sich hinter diesem Fragen verbirgt.

Einen schönen Ostermontag!

Musik 4:        Heaven (Duke Ellington). Aus dem Album: Heaven (Gospels & Spirituals) von Sophia Oster and Gabriel Coburger