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70 Jahre Grundgesetz

Vor genau 70 Jahren ist das deutsche Grundgesetz in Kraft getreten.  Am 24. Mai 1949, um 0 Uhr. Vier Jahre nach der politischen Finsternis, in die die Nazis Millionen Menschen und zahlreiche Völker gestürzt hatten.

Aus den menschenverachtenden Machenschaften der faschistischen Diktatur unter Hitler hatten die Väter und Mütter des Grundgesetzes gelernt. Sie hatten ja schmerzlich erfahren, wie Menschen von den Nazis verfolgt und ermordet wurden: wegen ihrer Religion, ihrer „Rasse“, einer Behinderung, wegen ihrer Homosexualität oder einer anderen politischen Einstellung.  Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben die Artikel desselben deshalb auf den Boden eines freiheitlichen, föderalen und demokratischen Rechtsstaates gestellt.

So heißt es im Artikel 1, Absatz 1:

“Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Das gilt nicht nur als Grundlage jedes staatlichen Handelns, sondern ist ebenso das Fundament unseres alltäglichen Miteinanders. Diese Würde macht jeden Menschen aus – ob uns das immer bewusst ist – das zeigt sich darin, wie wir mit unserem Mitmenschen und uns selbst umgehen. In der jüdisch-christlichen Tradition spricht man von der Würde als der Ebenbildlichkeit Gottes, die jeden Menschen ausmacht. In dem anderen Menschen den von Gott ebenfalls geliebten Menschen zu sehen, ist die Grundlage der Nächstenliebe.

Damit es nie wieder zu einer solchen politischen Finsternis wie unter den Nazis kommt, braucht es neben der staatlichen Verantwortung noch mehr. Es geht immer auch um meine persönliche Haltung und Einstellung zu meinem Gegenüber. Dazu passt eine alte jüdische Erzählung:

„Ein alter Rabbi fragte einst seine Schüler, wie man die Stunde bestimmt, in der die Nacht endet und der Tag beginnt. „Ist es, wenn man von weitem einen Hund von einem Schaf unterscheiden kann?“, fragte einer seiner Schüler. „Nein“, sagte der Rabbi. „Ist es, wenn man einen Apfelbaum von einer Birke unterscheiden kann?“, fragte ein anderer. „Nein“, sagte der Rabbi. „Aber – wann ist es dann?“, fragten die Schüler. „Es ist dann, wenn du in das Gesicht irgendeines Menschen blicken kannst und darin deine Schwester oder deinen Bruder siehst. Bis dahin ist die Nacht noch bei uns.“