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So einfach wie ein Blatt

„Letzlich ist alles einfach, so einfach wie ein Blatt, das man in der Hand hat.“

So stellt es der Schriftsteller Jean Gebser fest. Stimmt, denke ich, als ich mit den Kindergartenkindern im Wald unterwegs bin. Wir sammeln Blätter und überlegen, welche bunten Kunstwerke wir daraus fertigen wollen. Dann lachen wir und freuen uns richtig auf den Herbst, der so allmählich seine ersten Spuren, Bäume und Früchte legt. Jetzt, im Herbst, kommt die Zeit der einfachen Zeichen der Natur, die mir ganz komplizierte Lebenszusammenhänge präsentieren. Mir wird deutlich, wie schnell sich alles wieder zurückzieht, was eben noch in voll und prächtig geblüht hat.

Auch unter uns  Menschen werden die Abendstunden im Garten oder Park weniger, der nachbarschaftliche Gruß über das Balkongeländer wird seltener, wenn man sich eben nicht mehr einfach draußen aufhält, sondern wieder eine Jacke braucht oder drinnen bleibt, sich auf kühlere Tage einstellt. Das Leben zieht sich mehr ins Innere zurück, für viele bedeutet das zunächst mal traurigere Stimmung. Weniger Licht, düstere Gedanken.

Aber auch solche über das Wesentliche im Leben dringen nach der Unbeschwertheit des Sommers wieder stärker in den Vordergrund. Gedanken über das, was wirklich zählt im Leben. Und das hat seinen guten Sinn: ich erfahre mit dem Lauf der Natur, dass letztlich die Wechsel des Lebens auch zu mir dazugehören. Und das Gott es so eingerichtet hat: Seine Hand trägt mich wie ich das Blatt, das mir der Wind in die Hand gelegt hat.  Gott ist bei mir und mit mir an in den neblig düsteren Herbsttagen genauso wie im Sommerlicht, denn schließlich heißt es: Gott hat Himmel und Erde gemacht, er hält Wort und Treue ewiglich und gibt nicht preis auch nur ein Werk seiner Hände:

Sie gibt er nicht preis und mich nicht genauso wenig wie die Bäume, deren erste bunten Blätter wir dieser Tage in den Händen halten. Sich getragen fühlen kann so einfach sein! Die im Wald tobenden und lachenden Kinder bringen mich auf die Spur dessen, was Jean Gebser gemeint hat, als er uns Gottes Geleit in den Herbst hineinbuchstabiert hat. Denn Gebsers Satz geht noch weiter: „Letztlich ist alles ganz einfach,  so einfach wie ein Blatt, das man in der Hand hat,  so einfach wie  das Lachen eines Kindes.“