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Ein Teller Suppe

Sein Name ist untrennbar mit Linsensuppe verbunden: Esau! Das Alte Testament erzählt seine Geschichte. Sie ist uralt und dennoch brandaktuell. Esau war der Erstgeborene und der Liebling seines Vaters Isaak. Rebekka, seine Mutter, hielt es dagegen mehr mit Jakob, Esaus jüngerem Bruder. Von Rechts wegen sollte Esau als Erstgeborener später das Erbe des Vaters antreten. Wenn… ja, wenn das mit der Linsensuppe nicht passiert wäre, Esaus Sündenfall.

Eines Tages kommt er müde heim von der Arbeit auf dem Feld. So müde und abgearbeitet, dass ihm alles egal ist. Wirklich alles. Der listige Jakob hat das Abendessen vorbereitet, eine Mahlzeit, die Esau schmeckt: Linsensuppe. Esau, müde und fertig, wie er ist, macht sich gierig über das Essen her, will nur satt werden und dann endlich ins Bett. Jakob aber fragt den älteren Bruder, scheinbar zum Spaß und harmlos: Verkaufst du mir für den Teller Linsensuppe deinen Anspruch auf Vaters Erbe, dein Erstgeburtsrecht? Und der müde Esau fällt darauf rein: Was soll’s, sagt er, ich sterbe ja doch, was bringt es mir da, dass ich der Erstgeborene bin?

Manchmal denke ich, Esau ist für uns Menschen heute ein mahnendes Beispiel. Was haben wir als Europäer, als Menschen aus einem freien und hoch entwickelten Land, nicht alles als Geburtsrecht mitbekommen? Jeder darf zur Schule gehen, Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer, die Freiheit der Meinung und der Religion ist garantiert, Familienclans dürfen niemanden bevormunden, der Staat ist ans Recht gebunden. Und wie wenig genügt, um uns ermüden zu lassen? Um unsere Werte für unwichtig zu erachten?! Wie schnell sind wir bereit, wenn bestimmte Vorfälle die Medien beherrschen, nach Einschränkung von Freiheit zu rufen, nach Abschottung, nach dem starken Mann im Staat?! Wie schnell sind wir ermüdet von der Tagespolitik und nehmen das große Privileg unserer Herkunft als freie Bürger nicht mehr war?

Ja, es gibt Probleme, die herausfordern. „Weiter so!“ wäre ein schlechter politischer Rat. Aber wir haben eben doch Grundsätze und Werte, die teuer, gut und schützenswert sind und für die viele uns bewundern. Ärgernisse sollten uns das große Erbe der Freiheit, der Bürgerrechte, der Toleranz nicht verspielen lassen. Die Linsensuppe war’s für Esau auch nicht wert.