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Türspalt

Ich wache mitten in der Nacht auf, weiß nicht mehr wo ich bin. Alles ist dunkel. Ich versuche, mich zu erinnern: Bin ich jetzt noch zu Hause oder wo sonst? Es fällt mir nicht ein. Panik! Ich suche den Lichtschalter und knalle gegen ein Regal, lege mich wieder hin. Wo ist oben wo ist unten? Es dreht sich alles in meinem Kopf. Ich verliere die Orientierung und zittere. Es ist totenstill, niemand ist da…ich habe Angst.

Heute ist Karsamstag, Jesus ist vor einem Tag gestorben, seine Freunde und seine Familie sind alleine. Es bleibt still, es ist unerträglich. Das Herz ist zerrissen, die Tränen fließen. Der geliebte Mensch ist nicht mehr da. Das muss erst einmal ausgehalten werden, diese aufzehrende Stille, die voll ist von Schmerz, Fragen, Wut, von Traurigkeit und Verzweiflung.

Was passiert am Karsamstag? Was ist der Sinn dieses Tages? In dem christlichen Glaubensbekenntnis wird gesagt: „Ich glaube an Jesus Christus, gekreuzigt, gestorben, hinabgestiegen in das Reich des Todes…“ Heute erinnern sich Christen, wie Jesus hineingegangen ist, in einen Bereich, wo es keine Liebe, keine Kommunikation, kein Berühren, kein Leben mehr gibt. Nur noch Leere, Dunkelheit und Verlassenheit. Jesus hat diesen Abgrund durchschritten, hat in ihm gelebt und ihn schließlich ausgefüllt mit seiner Liebe, mit seinem Leben.

Auch der dunkelste Bereich unseres Lebens kann mit Licht erfüllt werden: unser Schmerz, unser Leiden und auch unser Tod muss nicht dunkel bleiben. Alles ist getragen von der Liebe, der Zärtlichkeit und der Lebendigkeit Gottes – darum geht es am Karsamstag.

Mitten in der Nacht, alleine in dem Zimmer fehlt mir immer noch die Orientierung, aber ich werde ruhiger. Ich erinnere mich langsam, und sehe ein kleines Licht durch den Türspalt, die Angst zieht sich zurück. Ja, denke ich, ich bin nicht allein, sogar nicht in den dunkelsten Momenten meines Lebens. Mein Leid und meine Angst, die sind nicht einfach weg, die muss ich durchleben, aber das muss ich nicht alleine tun und daran erinnert uns heute der Karsamstag, ein stiller, ehrlicher, aber irgendwie auch Mut machender Tag.