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Zeitumstellung

Zur Konfirmation meiner kleinen Schwester ist meine Oma eine Stunde zu spät gekommen. Meine Mutter hatte ihr extra vorher gesagt, dass sie auf die Zeitumstellung achten soll, aber sie hat es einfach vergessen. Wir Kinder fanden das damals ziemlich lustig – meine Oma weniger. An großen Familienfesten haben wir uns danach immer wieder gerne daran erinnert:  Weißt du noch, wie die Oma damals geguckt hat?!

Tja, solche Geschichten könnten nun bald endgültig der Vergangenheit angehören. Denn am Dienstag hat das EU-Parlament für eine Abschaffung der Umstellung zwischen Sommer- und Winterzeit ab dem Jahr 2021 gestimmt. Das heißt zwar noch nicht, dass alle Länder dabei mitmachen – und auch für welche Zeit sie sich gegebenenfalls entscheiden ist noch völlig offen. Mit der Entscheidung ist aber ein erster Schritt gemacht.

Die Menschen in Deutschland würden die Abschaffung jedenfalls mehrheitlich begrüßen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage sind 78 Prozent der Meinung: die Zeitumstellung sollte abgeschafft werden.

Ich glaube: Viel wichtiger als die Frage, auf welcher Zeit unsere Uhr steht, ist die Frage, unter welchen Vorzeichen unsere Zeit steht. Die lassen sich nämlich nicht beliebig verändern durch vor- und zurückdrehen. Erkennen wir, wie wertvoll und einmalig unsere Zeit ist? Oder vernichten wir sie manchmal einfach nur? Anders gefragt: Wie füllen wir dieses kostbare Geschenk mit Leben?

Denn als Pfarrerin wird mir – wenn ich auf dem Friedhof stehe – immer wieder bewusst, dass die Zeit nicht in unseren, sondern in Gottes Händen steht. Daran lässt sich wenig drehen, auch wenn wir es immer wieder versuchen! Aber es liegt an uns, wie wir mit dieser Zeit umgehen. Was wir aus ihr und mit ihr machen.

Egal, wie es letztlich ausgeht – ich fände es gut, wenn eine Entscheidung gegen die Zeitumstellung ein Anlass zur Auseinandersetzung mit der Zeit würde, dass Menschen sich den Fragen der Zeit stellen und dabei auf ihre eigene Lebenszeit wieder stärker achten.

Für meine Oma kommt das Aus der Zeitumstellung freilich zu spät. Genau wie ihre Zeit liegt mittlerweile auch sie selbst längst in Gottes Händen. Ein – wie ich finde – sehr tröstlicher Gedanke.