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Wir ziehen um

„Wir ziehen aus. Alles zu verschenken – außer der Tisch!“

Schon von weitem sehe ich bei einem Spaziergang durch die Nachbarschaft den kleinen Tisch vor der Haustür stehen. Noch gerade so auf dem Bürgersteig. Voll beladen. Das Schild kann ich erst lesen, als ich direkt davor stehe: „Wir ziehen aus. Alles zu verschenken – außer der Tisch!“

DVDs liegen da neben Stofftüchern, eine Packung Batikfarbe neben einem rotgeblümten Kulturbeutel, eine Haarspange neben einem Knäul Kordel. Mein Hund ist vor allem an dem Karton interessiert, der auf dem Boden daneben steht. Ein Käsehobel und zusammengewürfeltes Geschirr, ein Sudokubuch und noch einiges mehr.

Ich muss schmunzeln, weil ich mir nicht überlege, was ich gerne mitnehmen würde. Mir geht eher der Gedanke durch den Kopf, schnell nach Hause zu laufen, auch Kisten voll zu machen und dazuzustellen.

 

Das junge Pärchen, das hier einige Zeit gewohnt hat, zieht aus. Die beiden orientieren sich neu. Ein neuer Job vielleicht oder eine größere Wohnung. Sie lassen Altes hinter sich.

Sie haben überlegt, was sie mitnehmen wollen und sich entschieden. Und den Rest haben sie auf die Straße gestellt, im Vertrauen und in der Hoffnung, dass andere es noch brauchen können. Und dass der Tisch stehen bleibt.

 

In den Auszugszeiten unseres Lebens brauchen wir Menschen – glaube ich – erstaunlich wenig und doch besonders viel.

Wenig von dem, was uns bindet, nur so zusammengewürfelt und kaum berechenbar ist.

Jedoch besonders viel Mut, um Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen.

Besonders viel Kraft, um manch Altes und Liebgewonnenes vielleicht loszulassen.

Besonders viel Vertrauen, dass es anderswo aufgehoben wird und dass der Weg auch im Ungewissen begehbar ist.

Besonders viel von Gott – so nenne ich diese Kraft, die sich verschenkt, uns befreit und begleitet. Die ich besonders dann spüre, wenn ich in Zeiten des Aufbruchs mit anderen um einen Tisch sitze und wir das teilen, was uns wichtig ist. Und dann unseren Weg in verschiedene Richtungen weitergehen und für das, was kommt, gestärkt sind.

 

Am Abend drehe ich mit meinem Hund noch mal eine Runde. Schon von weitem sehe ich: Alles, was zu verschenken war, ist weg – alles – außer der Tisch. Der steht noch. Und vielleicht ist er in der neuen Wohnung der beiden der Ort, an dem neue Gemeinschaft entsteht. Ich wünsche

 

Der Link zur Mediathek: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=127383es ihnen.