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Unn?

Ein schöner Frühsommernachmittag in der Saarbrücker Innenstadt. Ich bin einkaufen, und nun auf dem Rückweg. Die Stadt ist voller Menschen, fröhliches Getümmel, laute und leise Gespräche. Als ich an einem Schaufenster stehen bleibe, höre ich hinter mir jemanden im Vorbeigehen: „Unn?“ Ich drehe mich um und sehe die Frau, die gemeint ist und grade etwas in ihr Handy tippt. „Gudd. Unn selwa?“ antwortet sie dabei, ohne aufzusehen oder stehenzubleiben. Dann gehen beide weiter.

„Ja Unn?“, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Was ist denn daran besonders? Solche Gespräche haben wir jeden Tag zur Genüge, da gibt’s doch nichts drüber nachzudenken. Ist doch normal!

Normal? Mich hat dieses kurze Gespräch beschäftigt. Ich komme nicht aus dem Saarland. Und wenn mich jemand „Unn?“ fragt, bin ich erst mal ratlos. Was will er oder sie jetzt von mir? Ich freue mich, wenn ich gefragt werde, wie es mir geht. Wenn es ernst gemeint ist – sehr viel! Und davon gehe ich bei solchen Fragen eigentlich aus. Denn da zeigt jemand Interesse an mir; ich bin ihm oder ihr wichtig. „Wie geht’s dir denn?“ – also das „Unn?“ – ist für mich ein Höhepunkt, wenn ich jemand anderem begegne. Da wird ein Gespräch persönlich und kommt mir nahe. Das tut mir gut!

Aber so? Einfach nur „Unn?“ und dann weitergehen? Ist das nicht eine Floskel, die ich mir auch sparen könnte? Weil ich eigentlich gar nicht wissen will, wie es dem oder der anderen geht?

Das Gespräch war mit „Unn?“ ja noch nicht zu Ende. „Gudd. Unn selwa?“ ging es weiter. Auch das ja eigentlich nichts Besonderes, sondern schön. Aber das ganze Drumherum bleibt für mich merkwürdig. Beide riefen sich das im Vorbeigehen, gingen, ohne stehen zu bleiben, weiter, ohne anscheinend eine Antwort überhaupt zu erwarten. Da war ich ratlos.

Warum? Wenn mich jemand so etwas Persönliches fragt, möchte ich gern stehenbleiben und mich mit der Person länger unterhalten. Aber das schien gar nicht gewollt oder erwartet. Fast wirkte es auf mich so, wie wenn andere sich „Guten Morgen“ oder „Moin“ zurufen. Da erwartet man ja auch keine Antwort Außer ein zurückgerufenes „Guten Morgen“ oder „Moin“. Aber auf ein „Wie geht es dir?“ möchte ich antworten, in mich horchen und dem oder der anderen dann ehrlich sagen, wie es mir geht. Denn wann nehme ich mir selber die Zeit, wenn ich nicht von jemand anderem danach gefragt werde? Doch eher selten.

Ich möchte den beiden, an deren Gespräch ich unfreiwillig teilgenommen hatte, überhaupt nichts unterstellen. Ich kannte sie ja gar nicht. Vielleicht war es ihre Art, mitein­ander zu sprechen. Vielleicht kannten sie sich nur flüchtig. Und bevor sie sich gar nichts sagten, dann lieber ein „Unn?“. Oder noch etwas ganz anderes, wer weiß.

Aber ich habe für mich gemerkt, dass ich so nicht mit anderen sprechen will. Es inter­essiert mich, wie es anderen geht. Und es tut mir gut, wenn ich ebenso gefragt werde. Für so ein Gespräch will ich mir Zeit nehmen oder auch sagen, dass es grade nicht passt. Oder, wenn ich gar nicht wissen will, wie es dem oder der anderen geht, sage ich einfach „Guten Morgen“. Das „Unn?“ hebe ich mir auf für die, von denen ich es wirklich wissen möchte.