Beiträge

Sündenbock

Jahrzehntelang war er der Sündenbock. James Thain, Pilot der British Airways. An Bord hatte er die Mannschaft von Manchester United, damals das beste Team der Welt. Trotz Schnee und Eis wagte er in München den Start. Zwei Spieler hatten kurz vor dem Start noch die Plätze getauscht. Sie fühlten sich im vorderen Bereich der Maschine sicherer. Diese Entscheidung kostete sie so wie viele andere das Leben. Einer von denen, die einen der hinteren Plätze bekamen, wurde dagegen ein paar Jahre später Fußball-Weltmeister. Und Thain, der Pilot? Er war schnell der Sündenbock. Er habe nicht dafür gesorgt, dass die Tragflächen eisfrei seien. Später kam allerdings heraus, dass die verschneite Startbahn Grund für die Katastrophe gewesen ist. Doch die Verantwortlichen in England verhinderten eine neue Beweisaufnahme. Und so blieb Thain bis zu seinem Tod der Schuldige, der Sündenbock eben. Das Motiv ist uralt. Am jüdischen Jom Kippur wird ein Ziegenbock in die Wüste gejagt. Symbolisch trägt er die Sünden des ganzen Volkes. Durch seinen Tod sind die dann ausgelöscht. Armer Ziegenbock. Aber es ging bei dem Ritual um die Menschen, und dass niemals einer von ihnen in dieser Rolle gerät. Das Christentum sieht ausgerechnet im Tod von Jesus das Ende dieser Vorstellung. Sein entsetzlicher Tod sei das Ende aller Sündenböcke gewesen. Er hätte die Schuld auf sich genommen. Und kein Mensch, auch kein Pilot wie Thain, dürfen jemals wieder dazu gemacht werden.