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Salim, der Kutscher

Als der alte Kutscher Salim erkennt, dass sein Ende nahe ist, ruft er einen jungen Freund. Vor ihm öffnet er ein Kästchen, das die kleinen Schätze enthielt, die er in seinem Leben angesammelt hat. Da ist der Schlüssel zu seiner einstigen Kutsche zu finden, eine Murmel, die ihm als Kind einmal Glück gebracht hat und ein Stück der Wurzel eines Baumes, der sich jedes Jahr erneuert.  Als letztes holt Salim eine Goldmünze aus dem Kästchen und sagt zu seinem jungen Freund: Diese Goldmünze ist von einem Räuber, dem ich einmal das Leben gerettet habe. Er trug mir auf, sie dem zu geben, der keinen Ausweg mehr sieht.

Dann nimmt die Geschichte von Rafik Schami, dem Erzähler aus Syrien, eine verblüffende Wendung: Kein Ausweg mehr? Salim erkennt im Rückblick auf sein Leben die Weisheit dieses Räubers. Immer, sagt er, wenn ich die Münze jemandem geben wollte, haben wir einen Ausweg gefunden, auch ohne die Münze der Ausweglosigkeit gebraucht zu haben.

Mein Freund, sagte er endlich, ich möchte, dass du die Murmel, den Schlüssel und die Wurzel zu mir ins Grab legst. Die Goldmünze aber übergebe ich dir mit der Bitte des Räubers, nämlich sie dem zu geben, der keinen Ausweg mehr sieht. Damit geht Salim gelassen dem Tod entgegen, ohne das Gefühl der Ausweglosigkeit.

Auch Salim wird die Münze nicht verwenden, wie alle anderen vor ihm. Selbst dann nicht, als er im Sterben liegt. Keine Sorge. Es geht keiner verloren, kein Lebensmoment ist ohne Ausweg. Und bitte, so sagt es Salim seinem Freund, gib die Münze einem anderen, dem, der keinen Ausweg mehr sieht. Und die Zuhörerinnen und Zuhörer erahnen, dass auch der einen Weg finden wird…