Beiträge

Rüstung und Ent-Rüstung

Ein Vater schnauzt seine pubertierende Tochter an: „Du immer mit deinen Entrüstungszuständen! Komm‘ mal wieder runter!“ Meistens knoddert sie noch ein bisschen, aber irgendwann beruhigt sie sich auch wieder. Und genau das ist der Prozess, den dieses Wort „entrüsten“ meint. Sich die Rüstung ausziehen, zeigen, wie’s in einem aussieht, Dampf ablassen und dann auch wieder runterkommen.

Das ist Ent-Rüstung im übertragenen Sinn.

Ursprünglich bedeutete Entrüstung ganz wörtlich: jemandem die Rüstung ausziehen. Das heißt nicht nur, ihn wehrlos zu machen. Das heißt auch, dass du nicht nur Blech, sondern einen Menschen vor dir siehst. Vielleicht zählen ab jetzt Worte mehr als Waffen…

So wurde „entrüsten“ übrigens bis ins Mittelalter benutzt. Erst Martin Luther verpasste dem Wort die heutige Bedeutung: sich aufregen, zornig werden, aus der Haut fahren (ist ja auch eine Art RüstungJ).

Das Gefühl des Zorns war Luther nicht fremd. Er hat sich fast pausenlos über irgendwas entrüstet. Bei ihm hat Entrüstung rein gar nichts mehr mit „raus aus der Rüstung“ zu tun. Sich entrüsten ist ab jetzt sich aufregen, sich empören.

Eigentlich schade um das Wort. Jemandem die Rüstung auszuziehen ist doch ein zu schönes Bild.

Den Doppelsinn des Wortes haben kürzlich Margot Käsmann und Konstantin Wecker wiederbelebt, mit ihrem Buchtitel „Entrüstet euch“. Da geht es um Frieden. Aber eben auch darum, sich aufzuregen über die, die ihre Rüstungen nicht ablegen wollen.

Oder wie es jener Vater sagt: Entrüste dich, und dann komm‘ wieder runter!