Beiträge

Rote Karte

Ein schriller Pfiff zerreißt die aufgeheizte Stadion-Atmosphäre. Augenblicklich stoppt das Spiel. „Mir war sofort klar, dass ich vom Platz gestellt werde!“ wird Friedel Lutz später über diesen legendären Moment berichten. „Aber mir war nicht klar, dass ich mit meinem Foul in die Bundesligageschichte eingehen werde.“

Heute vor 54 Jahren zog zum ersten Mal ein Schiedsrichter in der Fußballbundesliga die rote Karte. Platzverweise gab es vorher schon, aber eben nicht die rote Karte. Seitdem ist sie ein Sinnbild für die schwerste Strafe, die ein Schiedsrichter verhängen kann: Sofortiger Platzverweis nach grober Unsportlichkeit.

Fair Play ist der eigentliche Sinn, und die rote Karte ein Ausgleich für die grob gefoulte Mannschaft. Auch wenn Mannschaften in Unterzahl oft doppelt so motiviert in die Zweikämpfe gehen – der FC Homburg hat das am letzten Wochenende erleben müssen.

Die rote Karte – manchmal wünschte ich mir, auch ich könnte sie außerhalb des Spielfeldes wirkungsreich ziehen: Rot für die Despoten unserer Tage wegen ihrer groben und menschenverachtenden Kriegshandlungen. Rot für manche Großkonzerne wegen grob rücksichtsloser Ausbeutung von Menschen und Ressourcen. Rot für… ach, die Liste ist endlos lang und am Ende stehe ich selber noch drauf. Und dann wäre da noch die Frage: Wohin nur mit all denen nach dem Platzverweis?

Die rote Karte – eine Erfolgsgeschichte? Im Regelsport vielleicht. Wobei es trotzdem nach jedem Spiel Diskussionen um die rote Karte gibt, wenn sie denn gezogen wurde. Vielleicht auch ein Erfolgsmodell aus der Perspektive des Schiedsrichters, weil der sie immer anderen zeigt und dann für einen kurzen Moment das Gefühl hat, etwas für die Gerechtigkeit getan zu haben, manchmal sogar noch nach dem Spiel.

Und doch bin ich überzeugt, dass Fair Play und Gerechtigkeit im Leben nicht mit einer Strafe anfangen. Sondern mit einem Zuspruch, einem Freispruch und der Hoffnung auf eine andere, eine göttliche Gerechtigkeit, an der wir teilhaben. Eine Gerechtigkeit, die darauf schaut, was noch fehlt und was noch gebraucht wird, damit unser Leben gelingt. Eine, die noch einmal anders hinsieht, als wir Menschen es beim Rote-Karten-Zücken tun. Keine mit Platzverweis. Eher eine mit: Nimm Platz, ich setze mich für dich ein.

Für Friedel Lutz war das nach eigenen Angaben übrigens die erste und letzte rote Karte in seiner Karriere.

 

Hier der Link zur ARD-Mediathek:

https://www.ardmediathek.de/video/aus-christlicher-sicht/aus-christlicher-sicht-03-04-2025/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9BQ1NfMTUyMD