Regenwurm

Schon ganz trocken ist seine Haut, und er kommt nur noch langsam voran. Den Regenwurm hat es erwischt – beim Überqueren der Straße. Der staubige Asphalt und die höher steigende Sonne lassen ihn mitten auf seinem Weg vertrocknen. Langsam und doch schneller als seine Kräfte es zulassen.
Mitten auf dem Weg zu vertrocknen, das erinnert mich an Situationen in meinem eigenen Leben. Von der Hitze des Tages, von Ereignissen überrascht zu werden, mich selbst zu überschätzen und eine Wegstrecke zu unterschätzen, das kenne ich gut. Und dann kommt es mir auch schon mal so vor, als wenn ich einfach vertrockne – mitten auf dem Asphalt. Meine Kraft verdunstet und ich bekomme Angst – Angst, dass es einfach nicht reicht bis zum rettenden Ufer. Und dann? Dann halte ich inne, versuche mich zu beruhigen und besinne mich auf die Quellen meiner Kraft: meine Familie, meine Freunde, schöne Musik, lieb gemeinte Worte, Situationen, in denen es mir gut ging. Und ich versuche, daraus Leben zu schöpfen, Kraft und Energie, so wie auch aus den alten Verheißungen, aus Gottes Wort: Fürchte dich nicht! Ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
Und manchmal hoffe ich auch nur, dass etwas passiert, das mich rausreißt und rettet. Vielleicht hofft das auch der Regenwurm gerade und so nehme ich ihn behutsam auf und lege ihn ins schattige Gras, in der Hoffnung, dass auch er es schafft.