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Wenn im Lebenspuzzle Teile fehlen…

1000 Teile – steht mit großen Zahlen auf der Verpackung des Puzzles. Im Kleingedruckten sind es sogar 1008. Als Familie puzzeln wir gerne. Dann werden die Teile alle auf den großen Tisch geschüttet. Den Rahmen machen wir noch gemeinsam, und dann setzt sich jeder und jede immer mal wieder dran, wenn es so passt. Wenn man Lust hat, Teile zusammenzufügen. Auch dieses Mal ist der Rahmen in großen Stücken bald geschafft. Bis – ja bis auf zwei Teile, die wir einfach nicht entdecken können. Am Ende fehlen ganze 12 Teile, und der Spaß, den wir beim Puzzeln noch hatten, weicht der Empörung. Echt jetzt? Ein neues Puzzle und 12 Teile fehlen?! Ich überlege, mich zu beschweren, Ersatz zu fordern, meinem Ärger Luft zu machen. Das geht ja wohl wirklich nicht!

Heute Morgen beim Zeitungslesen liegt das Puzzle immer noch auf dem Tisch. Und ich schaue von den Nachrichten über Tausende Erdbebenopfer, marode Kitas und hoch am Himmel schwebende Spionageballons auf das unvollendete Bild mit seinen 12 Lücken. Und auf einmal sehe ich mehr als nur ein fehlerhaftes Puzzlespiel. Es wird mir zum Bild für das Leben überhaupt. Ich sehe die unvollständigen Stellen in meinem Leben, Momente, die ich nicht im Griff habe, in denen ich mich ausgeliefert fühle und die mir Angst machen. Ich sehe auch, dass ich die Lücken und Fehler bei anderen viel schneller und besser erkenne als bei mir selbst. Da passt etwas nicht in den Rahmen, den ich setze. Enttäuschte Erwartungen sind der Motor für Konflikte. Im Kleinen wie im Großen. Der erste Stein ist schnell geworfen. Die Glaubwürdigkeit der anderen steht auf dem Spiel: Wie kann der so was machen, wo er doch vorher noch …! Empören und verurteilen – beides geht schnell, weil es so schön von mir selbst weg weist. Letztendlich ist es sogar die Gerechtigkeit, die auf dem Spiel steht. Vor allem dann, wenn ich mich selbst von Gott und der Welt ungerecht behandelt fühle. Wenn ich durch die Lücken oder aus dem Rahmen gefallen bin.

12 Teile fehlen. Das Leben bleibt ein Fragment, weist Lücken auf, Leerstellen, die sich nicht schließen, jedenfalls nicht von selbst. Und vielleicht ist es gerade heute unsere Aufgabe, das Fragmentarische bei uns selbst und bei anderen nicht mit einem verurteilenden, sondern mit einem liebenden Blick anzuschauen und die Hoffnung zu bewahren, dass Gott das ganze Bild sieht.

 

Hier der Link zur SR-Mediathek: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=124333