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PARADIES RENTE?

„Wenn ich jetzt in Rente gehen könnte, das wäre das Paradies!“

Wie oft habe ich Sätze wie diesen gehört, als ich noch arbeitete. Und selber habe ich immer wieder in Richtung dieser Paradiesespforte geschielt: den Renteneintritt.

Nun ist die Phase jenseits des Erwerbslebens nicht ein einziger Garten Eden. Aber die große Selbstbestimmtheit, die Pflege von Freundschaften und zu kurz gekommenen Interessen mach Freude.

Was mich aber beschäftigt, ist die Tatsache, dass Menschen ihre berufliche Tätigkeit als pure Last, oft als permanente Überforderung empfinden. Dann wächst die Sehnsucht, nur noch aus dem Hamsterrad herauszukommen.

Das habe ich erlebt, als ich über 10 Jahre in einem Krankenhaus arbeitete. Unsere Arbeitswelt ist auf Kante genäht, Reserven sind nicht mehr vorgesehen, die Schlagzahl wird dafür erhöht. Permanente Effizienz ist gefordert.

Es wird keine Rücksicht darauf genommen, wie das Leben eigentlich tickt, nämlich nicht wie eine gut gewartete Uhr. Irgendwann wirst du langsamer, hast nicht mehr so viel Energie wie in jungen Jahren. Dafür wächst die Erfahrung, erleichtert die Routine, mit komplexen Abläufen zurecht zu kommen. Menschen sind keine Zahnräder in einer schnurrenden Maschine. Doch selbst die nutzen sich ab und verschleißen.

Allen arbeitenden Menschen denselben Rhythmus aufzuzwingen, macht mürbe, müde, unzufrieden und führt im schlimmsten Fall in die Innere Kündigung.

Eine immer älter werdende Gesellschaft braucht andere Arbeitsmodelle. Das Renteneintrittsalter stupide zu erhöhen, wirkt auf mich wie ein schwerer Hammer, der auf einen Amboss trifft und mehr zerstört als formt.

Kann man nicht Modelle entwickeln, die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, weniger Stunden zu schuften, körperlich nicht ständig über die Grenze gehen zu müssen, zu arbeiten, wie es dem veränderten Leistungsvermögen entspricht?

Länger arbeiten, aber im Bereich meiner Möglichkeiten, so dass ich zufrieden statt ausgebrannt nach Hause gehe.

Das wäre nun nicht schon das Paradies auf Erden, führte aber vielleicht zu ein wenig mehr Zufriedenheit, wo heute eine große Frustration herrscht.

Arbeiten wird nie ein Spaziergang sein. Schon am Anfang der Bibel, als Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben werden, heißt es:

Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen.

Ja, Arbeit ist Anstrengung. Sie kann aber auch Erfüllung, Selbstbestätigung und Erfolgserlebnis sein. Nicht zuletzt ist sie ein riesiger sozialer Zusammenhang von Kolleginnen und Kollegen. Das spüre ich immer wieder, wenn sich diejenigen aus „meinem“ Krankenhaus treffen, die schon in Rente sind. Einst hat man nicht selten geächzt unter der Belastung – doch heute freut man, sich, einander zu begegnen und in Kontakt zu bleiben. Die aus der Arbeit resultierende Kollegialität und Freundschaft haben den Arbeitsprozess überdauert. Das ist dann schon ein bisschen Rentnerparadies.