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„Neue Welt“

„Du fällst mir immer ins Wort! Du lässt mich gar nicht ausreden!“ Hart trifft mich die Anschuldigung meines Sohnes, und ich will gleich etwas entgegnen, mich verteidigen und falle ihm ins Wort: „Stimmt gar nicht!“

Stimmt doch, denn ehe er ausgeredet hat, weiß ich schon, was er sagen will und will es auch gar nicht mehr hören, sondern gebe gleich meinen Kommentar dazu.

Als ob sich Gespräche abkürzen ließen, indem wir anderen die Sätze abschneiden. Als ob wir wirklich immer schon wüssten, was die anderen sagen und was sie damit meinen, selbst wenn wir dieselben Wörter mitsprechen. Gehört haben, was der andere sagt, heißt noch lange nicht, ihn verstanden zu haben.

„Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.“ Auf den ersten Blick klingt diese Szene aus dem Alten Testament ähnlich. Sie steht beim Propheten Jesaja. Und doch ist sie nicht ein Ausdruck gestörter Kommunikation, sondern eine Beschreibung des Paradieses, der absoluten Hinwendung Gottes. Ein Zustand, den wir uns kaum vorstellen können.

„Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen“, verheißt Jesaja im Namen Gottes. Eine neue Welt, die anders ist, in der Freude und Frieden die bestimmenden Themen sind, nicht Leid und Klage. Eine Welt, in der es keinen sinnlosen Tod gibt, sich menschliches Leben erfüllt und in der Wolf und Schaf beieinander weiden. Und ich füge hinzu: Eine Welt, in der Eltern ihre Kinder ausreden lassen, zuhören und erst danach selber sprechen.

Lieber Sohn, bei unserem nächsten hitzigen Gespräch werde ich versuchen, daran zu denken und hoffe, dass diese neue Welt auch bei uns schon beginnt.