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Linke Wange

Christentum – das ist doch nur was für Masos, sagt die
junge Frau im Gespräch. Wenn dich einer schlägt, dann
halt ihm auch noch die andere Seite hin. Ist doch abartig,
was Jesus da verlangt. Wer so handelt, ist doch einfach nur
blöd. Man muss sich doch wehren.

Hat sie recht? Wenn ich auf der Straße angegriffen werde,
was ist mein erster Impuls? Wegrennen? Um Hilfe rufen?
Zurück schlagen und treten? Keine Ahnung. Aber ziemlich
sicher würde ich meine Angreifer nicht auffordern,
einfach weiter zu machen, um es über mich ergehen zu
lassen.

Aber ist es denn überhaupt das, was Jesus will? Sollen wir
seine Forderung wörtlich nehmen? Vielleicht wäre es ganz
nützlich, sich die ganze Sache mal im Zusammenhang
anzuschauen. Das mit dem Wange hinhalten steht in der
Bergpredigt. Und zwar in einem Abschnitt, in dem es um
Vergeltung geht. Jesus zitiert aus dem Alten Testament: Ihr
habt gehört, dass gilt „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Ich
aber sage euch, dass das nicht reicht.

Jesus will, dass wir nicht mit gleicher Münze heimzahlen,
sondern uns überlegen, wie man die Situation entschärfen
oder sogar zum Guten wenden könnte. Er hinterfragt.
unser Gerechtigkeitsempfinden So auf die Art: Was bringt
es dir, und zwar auf lange Sicht, wenn du auf Rache
bestehst? Denn dann, mein Freund, geht es immer so
weiter. Nichts wird besser, im Gegenteil.

Mir scheint, dass es zu allen Zeiten hilfreich wäre, sich an
dieses ganz und gar nicht naive Sätzchen aus der
Bergpredigt zu erinnern. Es ist keine Gebrauchsanweisung
für Nahkampf. Vielmehr bedeutet es: Wenn dich einer
ärgert, dann überlege, ganz ohne Denkverbote, wie du die
Sache in eine andere Richtung bekommst. Das ist der Sinn
dahinter. Kluge Strategie, finde ich.