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Kompromiss und Wahrheit

Lange hieß es: In der Politik kann man Kompromisse schließen, in der Religion nicht. Denn im Idealfall hat die Politik das Wohl der Menschen im Blick und versucht, für möglichst viele Menschen möglichst gute Entscheidungen zu treffen. Religionen dagegen verwalten eine Wahrheit, die im Grunde Kompromisse ausschließt.

Das hat sich inzwischen gedreht. Immer mehr der fortschrittlichen Religionen und Glaubensrichtungen verständigen sich miteinander. Gerade in den modernen und aufgeklärten Ländern suchen sie das Gespräch und wollen zum Frieden beitragen. Umgekehrt wird Politik immer religiöser. Man könnte meinen, alle hätten die Wahrheit für sich gefunden. Kompromisse werden immer seltener, der Umgangston rauer und die Ergebnisse dadurch nicht besser.

Aber warum nur übernimmt die Politik ausgerechnet das Schlechte von den Religionen, das Beharren auf eigener Wahrheit und dogmatische Besserwisserei? Und das gerade, als die Religionen zumindest hierzulande sich auf zeitgemäßeren Umgang miteinander besinnen. Ohne Dialog und Kompromiss, so haben sie mühsam lernen müssen, gibt es keine menschenfreundlichen Lösungen.

Lieber Ideen als Menschen sterben lassen. Der Philosoph Karl Popper bringt es mit diesem Satz auf den Punkt. Allen, die Wahrheiten mit Gewalt und Starrsinn durchsetzen wollen, setzt er Grenzen. Und diese Grenze sind die Menschen und ihr Wohlergehen. In den Religionen der Welt, aber eben auch in den Palästen der Macht.