Kirche oder Reich Gottes?
„Jesus predigte das Reich Gottes. Was kam, ist die Kirche!“
So die Feststellung eines Religionsphilosophen anfangs des 20. Jahrhunderts.
Ich bin mir sicher: Als Jesus vom Reich Gottes oder Himmelreich erzählt hat, da dachte er nicht an Kirche in heutiger Gestalt. Weder daran, dass es verschiedene Kirchen, die römisch-katholische, die evangelische, die orthodoxe und viele andere Kirchen gibt; noch daran, dass Kirche in vielerlei Hinsicht wie ein wirtschaftlicher Betrieb funktioniert. Ich spreche manchmal etwas flapsig sogar von „meiner Firma Kirche“.
Dabei mag ich diese Firma. Ich arbeite gerne da. Bei vielen Gelegenheiten, sei es in Gottesdiensten, sei es im Männerkreis oder im Presbyterium, treffe ich auf viele nette Menschen. Sie ticken oft ganz unterschiedlich, und wir sind längst nicht in allen Fragen einer Meinung. Aber alle fühlen wir uns mit unserer Kirche verbunden. Wir sind schon ein ganz schön bunter Haufen!
Als Kirche befinden wir uns zurzeit in einer spannenden Phase. Ob evangelisch oder katholisch stehen viele Gemeinden vor dem Problem zurückgehender Gemeindemitglieder und damit zurückgehender Finanzen. Manche kirchlichen Finanzfachleute beschreiben die Situation so: Wir haben jetzt den Gipfel erreicht. Der nächste Schritt geht bergab. Nur sei noch nicht klar, ob der Weg langsam bergab führe oder ob mit einem steilen Absturz gerechnet werden müsse.
Ich will mich nicht in Panik versetzen lassen. Ich sehe bei allen Schwierigkeiten auch eine Chance. Vielleicht sollte Kirche sich mal wieder an die Reich-Gottes-Botschaft von Jesus erinnern. Das Reich Gottes, von dem Jesus spricht, ist zu vergleichen mit einem Sämann. Jesus sagt: Der Sämann wirft Samen aufs Land und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. (Mk 4,26-29)
Ich wünsche mir manchmal für meine Kirche weniger Bürokratie, dafür mehr Gelassenheit und vor allem mehr Gottvertrauen. Außerdem: Wo Menschen sich einbringen, sich engagieren und füreinander da sind, da blitzt das Reich Gottes schon auf. Kirche und Reich Gottes müssen also gar nicht so weit voneinander entfernt sein! Wie predigte schon Jesus: Siehe da! Das Reich Gottes ist mitten unter euch!