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Jagdhund

„Sind sie Jägerin?“ Das werde ich in letzter Zeit immer wieder gefragt, weil ich seit einem halben Jahr einen kleinen Jagdhund habe. Ich komme dann immer in Erklärungsnot: „Nein, also ich gehe nicht auf die Jagd, aber…“ Und dann rechtfertige ich mich, woher und warum ich gerade einen Jagdhund habe, wenn ich doch gar nicht jagen gehe. Und wie ich ihn deshalb anders fördern und fordern werde. Und dann ärgere ich mich: Über die Leute, die mich so in Bedrängnis gebracht haben, die mich Dinge fragen, die sie gar nichts angehen. Und ich ärgere mich über mich selbst, dass ich mich vor fremden Leuten rechtfertige und nicht einfach nur „nein“ sage, „ich gehe nicht auf die Jagd.“

Wobei: Vielleicht tue ich das ja doch?! Vielleicht bin ich doch eine Jägerin?! Wenn auch in anderem Sinne. Letzte Woche bin ich über einen Vers in der Bibel, im Neuen Testament, gestolpert, der für mich früher gar nicht so interessant gewesen ist. Jetzt aber schon: „Jage nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut!“ Es ist eine Mahnung an die Leserinnen und Leser des 1. Timotheusbriefes. Sechs Grundwerte des Christseins werden hier sozusagen als Jagdbeute aufgezählt: Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Geduld und Sanftmut.

Freilich nicht als das, was wir schon haben oder besitzen, so realistisch ist der Brief. Nein, sondern als das, dem wir nachjagen sollen. Ein Aufruf, der nichts von seiner Aktualität verloren hat in einer Zeit, in der viele verstärkt nach Werten suchen und sie nicht mehr oder noch nicht besitzen. In der viele Spiritualität und Liebe nicht nur suchen, sondern leben sollten und deren Schnelllebigkeit wir wieder mit Geduld begegnen könnten. In einer Zeit, in der ich nicht nur über Gerechtigkeit sprechen, sondern sie endlich aktiv praktizieren sollte.

Dem nächsten der mich fragt, ob ich auf die Jagd gehe, werde ich sagen: „Klar, ich bin Christin und damit gleichzeitig auch Jägerin, ich jage nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut und mein Hund ist mir mit seinem feinen Spürsinn dabei stets ein treuer Begleiter.“