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Herr Tur Tur

Meine Kinder haben einen Lieblingsfilm: Die Abenteuer von Jim Knopf. Sie erinnern sich bestimmt: Jim Knopf, der kleine schwarze Junge aus Lummerland, der mit seinem Freund Lukas, dem Lokomotivführer, viele spannende Abenteuer erlebt. Die mehrteilige Inszenierung der Augsburger Puppenkiste zieht meine Kinder völlig in den Bann. Und nicht nur sie. Mich auch. Vor allem die Szene mit Herrn Tur Tur. Herr Tur Tur ist ein Riese. Alle haben Angst vor ihm. Alle laufen vor ihm weg. Nur Jim Knopf nicht. Er trotzt seiner Angst und bleibt ganz tapfer neben Lukas und der Lokomotive Emma stehen, als er Herrn Tur Tur zum ersten Mal sieht.

Irgendwie bekommt Jim seine Angst in den Griff. Vielleicht weil er merkt, dass er nicht allein ist, vielleicht weil er auch merkt, dass es nichts hilft, wegzulaufen. Und so macht Jim eine wichtige Erfahrung: Herr Tur Tur ist gar kein echter Riese. Er ist nur ein Schein-Riese. Aus der Ferne sieht er riesengroß aus, aber je näher man ihm kommt, desto kleiner wird er. Und als er Jim Knopf Auge in Auge gegenübersteht, ist er nicht viel größer als Jim.

Mich erinnert diese Szene immer daran, dass ich mich den Scheinriesen in meinem Leben stellen muss. Weil sie dann nämlich nicht mehr riesig sind, sondern viel kleiner werden. Meine Angst zum Beispiel. Vor kurzem hatte ich Angst vor einem Konflikt. Zwischen einer guten Freundin und mir hatte etwas in der Luft gelegen. Irgendetwas Unausgesprochenes. Und ich hatte Angst, es anzusprechen, Angst einen Streit auszulösen, die Freundschaft anzukratzen. Und da sind mir Jim Knopf und Herr Tur Tur eingefallen und ein Wort aus der Bibel. Dort heißt es: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit”. Also habe ich mich meinem Scheinriesen gestellt und das Gespräch mit meiner Freundin gesucht. Und habe erfahren: Es war nicht so schlimm wie gedacht. Wir haben uns gut unterhalten und besonnen und liebevoll unsere Argumente ausgetauscht.

Die Scheinriesen im Leben machen mir das Leben oft schwer. Scheinbar ist alles immer zu groß, zu schwierig, zu gefährlich. Aber Gottes Geist gibt Kraft und Liebe und Besonnenheit. Das habe ich erfahren. Und darauf möchte ich auch in Zukunft vertrauen. Ich bin sicher: Dann werden viele Scheinriesen ganz klein.