God bless you!
Mein Zug kommt in Mannheim an. Der ICE hat schon fünf Minuten Verspätung. Von meinen geplanten zwölf Minuten zum Umsteigen nach Saarbrücken bleiben mir noch sieben. Ich steige aus, laufe über den Bahnsteig, die Treppe runter. Ich orientiere mich auf dem unbekannten Bahnhof und mache mich auf in Richtung Gleis eins. Es ist voll, dichtes Gedränge, Stress – aber machbar.
In all der Hektik dringt eine Stimme an mein Ohr: »Excuse me! Please!« Ich drehe mich um. Eine Frau schaut mich an. Ich versuche zu verstehen, was sie will. Sie spricht gut englisch – was für ein Glück. Sie will zu demselben Zug wie ich. Ich sage: »Follow me! – Mir nach!« Wir biegen rechts ab. Das war falsch. Da geht es aus dem Bahnhof raus. Wir drehen um, laufen die Treppe auf der anderen Seite hoch. Jetzt sind wir richtig: Gleis 1. Der Zug fährt ein. Geschafft!
Wir schauen uns an. Sie trägt ein Kopftuch, hat dunkle Haut und ihre Augen strahlen. Ihr wurde geholfen. Sie sitzt im richtigen Zug und kommt an ihr Ziel. Ganz offensichtlich stammt diese Frau aus einem anderen Land und ist Muslima. Und dann geschieht etwas, das mich anrührt. Die Frau bedankt sich mit nur fünf Worten: »Thank you! God bless you! – Danke! Gott segne dich!«
Als Pfarrer bin ich Segensprofi. Ich segne oft. Sehr viel seltener werde ich gesegnet. Gerade deshalb freue ich mich jedes Mal über einen Segen für mich. Auf diesem Bahnsteig in Mannheim trifft mich der Segen unvorbereitet. Eine fremde Frau, die einer anderen Religion angehört, segnet mich. Sie wünscht mir etwas Gutes, das von Gott kommt. Die Religion, die Kultur, das Geschlecht spielen für sie keine Rolle. Gott soll mit mir sein, einem Menschen, der ihr etwas Gutes getan hat.
Das ist für mich ein Zeichen der Liebe Gottes. Menschen, die sich segnen, gehen als Freunde auseinander. Der Segen sagt Nein zu Menschenhass und Religionsgräben. Der Segen sagt Ja zu Mitmenschlichkeit und Freundlichkeit. Darum sagt Gott uns: »Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.«