Gedanken beim Fensterputzen

Die ersten warmen Sonnenstrahlen in diesem Frühling! Gott sei Dank – so langsam habe ich das kalte und triste Wetter nämlich satt. Ich gehe vor die Tür, um so viel Licht und Wärme mitzunehmen wie nur möglich.
Die Frühlingssonne hat aber leider auch einen Nachteil: Gnadenlos zeigt sie mir, wie dreckig meine Fenster über Winter geworden sind. Im Frühlingslicht sehe ich jedes Staubkörnchen und jede Schliere. Zeit für den Frühjahrsputz! Streifenfrei sauber werden sie zwar nicht unbedingt, aber ich gebe mein Bestes.
Und während ich so mit Reiniger und Fenstertuch hantiere, fällt mir ein Zitat ein. Es ist von Elisabeth Kübler-Ross, einer berühmten Psychiaterin:
Menschen sind wie Kirchenfenster.
Wenn die Sonne scheint,
strahlen sie in allen Farben,
aber wenn es dunkel wird,
offenbart sich ihre wahre Schönheit
durch das innere Licht.
Und dann denke ich nach beim Wischen und Feudeln. Über das Licht, das wir Menschen so in uns hinein und aus uns herauslassen. Aber auch darüber, welche Schlieren und Streifen ihm dabei im Wege sind. Was seinen Glanz trübt. Wie diese dünne Schicht Staub da auf meinen Fenstern, die mir erst auffällt, als sie mein Putzwasser dunkel färbt.
Derzeit färbt ein besonderer Staub diesen Frühling dunkel: alle Kraft und viel Geld sollen in Kriegsbereitschaft und Aufrüstung fließen.
Der römische Philosoph Seneca hat gesagt: „Schlimmer als Krieg ist allein die Furcht vor Krieg.“ Ob das stimmt, weiß ich nicht, denn dafür bin ich zu jung. Dafür erinnere ich mich noch ganz genau an die Gesichter der Menschen, die beides noch erleben mussten. Damals, kurz nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, im Gottesdienst.
Nachdem ich die letzte Ecke trockengerieben habe, betrachte ich mein Werk. Und für einen Moment habe ich das Gefühl, dass mich nichts trennt vom frischen Grün in meinem Garten und dem strahlenden Blau am Himmel. Dabei muss ich an den Gottesdienst damals denken – und bekomme eine Ahnung davon, was Kübler-Ross mit der „wahren Schönheit durch das innere Licht“ gemeint haben könnte. Die Menschen der Kriegsgeneration haben es mir gezeigt. Denn damals, im Februar 22, haben sie nicht an Aufrüstung und Verteidigung gedacht. Sondern aus tiefstem Herzen gemeinsam mit uns Jüngeren für den Frieden gebetet. Und es damit in jenen dunklen Stunden ein wenig heller gemacht.
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