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Die Vorhersage (2)

Die Vorhersage, der Roman von Nikki Erlick, spielt mit einer Menschheitsphantasie. Was wäre, wenn ich wüsste, wie lange mein Leben noch dauert. Alle über 22 bekommen in der Geschichte ein Kästchen mit ihrem Lebensfaden. So lange bleibt ihnen noch. Aber ist es Segen oder Fluch? Würde ich es überhaupt wissen wollen, also mit zittrigen Fingern mein Kästchen öffnen. Eigentlich ja: ich möchte ja wissen, was mir noch bevorsteht. Wenn es nur noch kurz ist, dann gibt es Dinge, die noch schnell zu erledigen sind. Und da denke ich nicht an den mutigen Fallschirmsprung oder den ultimativen Urlaub in der Südsee. Eher Konflikte angehen, Missverständnisse mit Freunden ausräumen und mich entschuldigen, wo ich Mist gebaut habe. Vielleicht wäre ja eher der lange Faden das Problem. Wenn noch ewig Zeit bleibt, dann vertrödele ich vielleicht mein Leben, setze die falschen Schwerpunkte und werde gegen Ende dann fahrig, weil mir doch noch Zeit fehlt. Vor allem sagt der Lebensfaden ja nichts über die Lebensqualität. Mein Opa lag 10 Jahre apathisch im Bett. Keine Ahnung, was er vom Leben noch mitbekam. Er hatte einen schier endlosen Lebensfaden. Aber wie mühsam muss ihm in den klaren Momenten diese Situation vorgekommen sein. Und wie würde es mir in einer ähnlichen Lage gehen? Keine Ahnung, ob ich wissen möchte, wie lang mein Lebensfaden ist – schrecklich genug, dass er ein Ende hat. Leben, als ob es das Ende nicht gäbe – eine andere Idee habe ich nicht. Und vermutlich wird die zu wirklich gelebtem Leben führen, Leben, dem am Ende auch der Tod nichts anhaben kann.