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Die Vorhersage (1)

Die Vorhersage ist ein originelles Experiment. Genau gesagt ein Roman, der mit einer alten Lebensfantasie spielt. Eines Morgens bekommen alle Menschen über 22 ein geheimnisvolles Kästchen. Darin enthalten ein Faden, der bei allen eine unterschiedliche Länge aufzeigt. Schnell spricht sich herum, dass es sich dabei um den eigenen Lebensfaden handelt. Alle, die in ihr Kästchen reinschauen, haben nun eine Ahnung, wie viel Zeit zum Leben ihnen noch bleibt. Die Kästchen verändern die Welt und natürlich auch die Menschen. Und sie fordern zum Widerstand heraus. Das Unabänderliche muss sich doch ändern lassen. Ein Teenager ist mit einem Mal der Star auf Youtube. Sein Video mit dem Versuch, die Fäden zu zerkleinern, in die Länge zu ziehen oder im Säurebad zu zerstören, wird so oft geklickt, dass Youtube gesperrt wird. Vielleicht auch, weil die Fäden stabil bleiben und ihre Länge auf gnadenlos eindeutige Weise nicht verändern. Es ist der aussichtslose Kampf seit Anfang der Menschheit, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ein bisschen Zeit dazu, vielleicht auch der Versuch, ihm ein selbstgewähltes Ende zu setzen. Der Faden spricht eine klare Sprache. Keinem wird es gelingen, seinem Leben auch nur eine Handbreit hinzuzufügen. Die alte Weisheit aus der Bergpredigt ragt hinein in eine moderne Phantasiegeschichte. Die Vorhersage. Wer weiß, wie viel Zeit mir noch bleibt – und möchte ich das überhaupt wissen?