Die Träume des Josef
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer. Frohe und gesegnete Weihnachten!
Mit Träumen beschäftigt sich diese Morgenfeier. Auch die Musik, die uns begleitet, kommt manchmal fast verträumt daher. Weihnachtsmusik interpretiert von dem großen viel zu früh verstorbenen saarländischen Jazz-Pianisten und Bandleader Christoph Mudrich. Es singt Heinrich Thiel.
Träumen Sie auch so intensiv? Oder gehören Sie eher zu den Menschen, die sich nach dem Erwachen an nichts mehr erinnern? Für den Mann, der an diesem 2. Weihnachtstag im Zentrum steht, wäre das fatal gewesen. Es ist Josef, der Vater Jesu. Ein Nachkomme des Königs David. Aber so ist es manchmal, wenn man aus nobler Familie stammt: Josef hatte kein feudales Leben. Handwerker war er. Zimmermann. Wohnhaft in Nazareth und mit einer gewissen Myriam verlobt. Aus der wurde dann in der christlichen Tradition Maria und Josef. In den Legenden ein schon ziemlich in die Jahre gekommener Bräutigam. Stets ein bisschen an den Rand gedrängt. Ich will ihn heute aus dieser Klischee–Kiste hervorholen.
MUSIK: Christmas Song
Sprecherin: Mt 1,18-25 Jesu Geburt
Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut, also mit ihm verlobt war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.
Autor: 1. Stichwort – Berührung
Mein erstes Stichwort unter dem ich mich an die Träume des Josef wagen will, ist Berührung. Der in den Evangelien an den Rand gedrängte Vater Jesu ist zunächst einmal unangenehm berührt. Er kommt nicht damit zurecht, dass seine Verlobte schwanger sein soll. Vor der Zeit! Er will nicht Schande über sie bringen und wohl auch nicht über sich, sie nicht bezichtigen, dass … na ja, Sie wissen schon. Aber bleiben will er keinesfalls. Vor Wut und Trauer starr geworden, so stelle ich mir den Josef vor, verschlossen, nicht über seine Kränkung reden könnend – wie so viele Männer. Und da kommt es zur Berührung; ein Traum rührt ihn an. Ein Engel macht ihm deutlich: In dem Kind, das dein Mädchen erwartet, berührt Gott die Welt. Gottes guter Geist ist im Spiel. Der Name des Kindes soll Programm sein: “Gott hilft” soll sein Name sein.
Ich kann mir kaum vorstellen, wie Josef aus einem solchen Traum erwacht sein mag. ·Verwirrt? ·Gefestigt und orientiert? ·Stolz oder demütig? Jedenfalls ist er verändert. Josef wird ·weich und ·zugänglich. Er setzt sich nicht ab, kann Maria neu begegnen. Ein Traum, der wie eine Ouvertüre das Thema des ganzen Evangeliums eröffnet: Der Gott der Christen und Juden ist keiner, der über dem Weltgeschehen thront, · entrückt müde lächelnd – nein, er wird seine Erde berühren, höchst menschlich, als Kind, ein Baby oder Bobbelsche, wie man im Saarland einst zärtlich sagte. Welche Rolle Josef dabei biologisch spielte, ist das so interessant? Jedenfalls war dieser Josef Gott wichtig, sonst hätte er ihn seiner Wege ziehen lassen können. Aber so, nach diesem leitenden Traum, hat der Messias ·Mutter und ·Vater. Ein Mensch zum Anfassen. Einer, der andere anrührt und der sich berühren lässt.
Gott lässt sich anrühren von der Sehnsucht seiner Geschöpfe nach Erlösung, von ihrem ·Schmerz, ihren missglückten ·Lebensentwürfen, ihrer ·Sehnsucht nach Geborgenheit. Dieser Gott berührt den in sein Schneckenhaus zurückgezogenen Josef, so dass er zu seiner Verantwortung steht. Dabei wird der immer wieder von seinen göttlichen Träumen geleitet. Von seinen Träumen wachgerüttelt (ein herrliches Paradox). So findet Josef seinen Weg. Traumwandlerisch. Glaube berührt und drängt auf Berührung. Das lehrt der erste Traum des Josef.
Die Berührung zwischen Menschen, die sich zugetan sind, mag noch einfach sein: zwischen ·Liebenden, zwischen ·Eltern und Kindern. Anders wird es aber schon bei Menschen fremder Herkunft, Menschen, die einen vermeintlichen Makel mit sich tragen. Es fällt nicht leicht, uns mit Leib und Seele auf die einzulassen. Ich muss eine Distanz überwinden. Die Distanz aus ·Fremdheit, ·Unvertrautem und ·Angst. Das schaffen wir nicht immer.
Umso wichtiger scheint es mir, an diesem Traum festzuhalten: Berührung bleibt möglich – auch dort, wo ich mich zurückziehe, die Verantwortung scheuen möchte. Es darf ruhig mit unbeholfenen Händen geschehen und mit stotterndem Mund – aber mit offenem Herzen. Davon träume ich.
MUSIK: Christmas Song
Sprecherin: Mt 2,13-14 Die Flucht nach Ägypten
Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten.
Autor: 2. Stichwort – Bewahrung
Im zweiten Traum des Josef geht es um Bewahrung. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein schöner Traum ist ><oder ein Albtraum. Jedenfalls ist er erschreckend zeitlos. Herrschende Verhältnisse, die das Leben eines Kindes nicht achten. Das ist ungut aktuell nach 2000 Jahren. Kinder auf der Flucht gehören zum Bild dieser Welt: Die bleibt scheinbar völlig unberührt von deren Schicksal. Wo bleibt die Erlösung, an die Christen doch glauben?
Es ist eine übergroße Spannung in diesem Matthäuskapitel: zwischen Bewahrung und Pogrom. Hier die wundersame Bewahrung durch Josefs Traum. Dieser sagt ihm, was jetzt das einzig Richtige ist: Das Heil in der Flucht suchen. Und damit nicht genug. Dem Herodes wird ein Schnippchen geschlagen, ihm, der so gerne die drei weisen Seher ausspioniert hätte. Deren Route lenkt ein Engel im Traum um. So wird der kleine Jesus auf traumhafte Weise bewahrt. Aber der Preis ist hoch. Unvorstellbar hoch.
Sprecherin: Mt 2,16 Der Kindermord
Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte.
Autor
Ein Albtraum. Die Spannung lässt sich nicht auflösen, die uns in diesem Abschnitt der Bibel begegnet. Der Messias überlebt das Grauen, – andere nicht. Das spiegelt eine Lebenserfahrung wider. Warum gerade ich? – Das können auch Überlebende fragen, Menschen, die einer Katastrophe entgingen. Es ist gar nicht leicht, damit zurecht zu kommen, wenn gesagt wird:
Du hast doch Glück gehabt, [und die andern?]
Das Schicksal hat es gut mit dir gemeint [und mit den andern?]
Gott hat dich bewahrt [und die andern?].
Dieser Bibeltext stellt das zugewandte Gesicht Gottes hart und unvermittelt neben den abwesenden Gott. Der abwesende Gott, so konnte Martin Luther es sagen. Gott, der den Rücken weist, der den realen Albtraum zulässt. Das lässt sich nicht fromm zukleistern; es gehört zu dem, womit der Glaube sich plagt. Bewahrt werden, dieses Hoffnungslicht, es scheint vor einem finsteren Hintergrund.
MUSIK : Night Betlehem
Autor: 3. Stichwort – Befreiung
Das dritte Traummotiv des Josef ist Befreiung. In dem Choral: Lobe den Herren, meine Seele heißt es:
Sprecherin: Choralzitat
Fürsten sind Menschen, vom Weib geboren, und kehren um zu ihrem Staub;
ihre Anschläge sind auch verloren, wenn nun das Grab nimmt seinen Raub.
Autor
Das ist die Lektion des Herodes. Irgendwann ist Schluss! Dann muss auch der Tyrann in die Grube. Gott will die Menschen befreien. Tyrannentage sind gezählt. Ihr langer Arm reicht nicht über ihren Tod hinaus. So darf Josef Rückkehr erfolgen.
Sprecherin: Mt 2,19-20
Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben.
Autor
Wieder ist es ein Traum, der Josef den Weg weist. Einst den Ausweg, jetzt den Rückweg. Aber es bleiben auch hier deutliche Hinweise auf diese unerlöste Welt. Es ist eben kein Märchen, kein Ende gut, alles gut.
Sprecherin: Mt 2,22
Als Josef aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land.
Autor
Es ist der kurze 4. Traum des Josefs, der die ·Route und das ·Ziel variiert. Die Angst, die stete Begleiterin der kleinen Leute, bleibt ihm treu – aber sie hat nicht das letzte Wort. Da bleibt ein befreiender Ausweg.
Josefs Träume sind Wegweiser. Er, der von Gott Angerührte, verhilft dazu, dass die ihm Anvertrauten bewahrt werden, ja befreit. Einer, der die Verantwortung übernimmt, sich aber auch führen lassen kann, Josef entwickelt Zutrauen, Offenheit für das, was Gott ihm sagen will. Und ändert dann sein Handeln!
Ich glaube es ist an der Zeit, diesen Träumer, der so wenig Aufmerksamkeit erfuhr, als Vorbild zu entdecken. Gerne – und gerade auch für Männer.
MUSIK : Silent Night