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Der Zeitreisende

Zeitreisen sind eine spannende Vorstellung. Wen man da alles in unsere Zeit holen könnte. So wie unser Maulbeerfeigenritzer. Ein Fließbandarbeiter der Antike – mit dem kleinen Messer in jede Feige einen Schnitt, damit sie länger haltbar sind. Doch damit ist er nicht berühmt geworden. Eher durch sein mutiges Mundwerk und seine klaren Ansagen. Hätten wir ihn mit der Zeitmaschine zu uns geholt, dann würde er vielleicht zuerst auf die Russen schauen. Würde die Oligarchen beschimpfen, ihre Paläste knacken und für ukrainische und syrische Flüchtlinge öffnen. Oder auf neureiche Chinesen, die Partys feiern, während nebenan die Kinder verhungern. Aber auch uns würde er Fragen stellen. Den reichsten 3 Prozent dieser Erde, den besonders Privilegierten dieser Welt, auch wenn wir gerade um unseren Reichtum fürchten müssen. Er würde Unrecht beklagen und Gerechtigkeit fordern.

Wahrscheinlich würde er eingesperrt, verprügelt oder zumindest ausgelacht. Aber das wäre nichts Neues für ihn. So ging es ihm, als er vor 3000 Jahren Anfänge von Ausbeutung und Ungerechtigkeit kritisiert hat. Fette Kühe, so hat er die feinen Damen am Königshof genannt. Und: dass er alles im Auftrag Gottes tun würde – das hat für viele noch einen drauf gesetzt. Wenig hat sich geändert seither. Als Zeitreisender würde er kaum auffallen. Wäre immer noch ein Ärgernis für die Reichen und eine Hoffnung für die Armen. Denn Gott ist auf ihrer Seite, möchte Gerechtigkeit für die Armen und Ausgebeuteten dieser Welt. Nachzulesen in der Bibel, im Buch von Amos, dem Propheten, Maulbeerfeigenritzer von Beruf.